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Die Renaissance der Kriege

Die Bedrohung mit Atomwaffen scheint heute wieder in die internationalen Beziehungen einzuziehen

Jederzeit einsatzfähig: Das US-amerikanische Atom-U-Boot »Ohio«
Jederzeit einsatzfähig: Das US-amerikanische Atom-U-Boot »Ohio«

»Dieser Schlag beendete den Krieg … Ich möchte nicht das Beispiel von Hiroshima und Nagasaki verwenden, aber es war das Gleiche ….« Das sagte Donald Trump nach dem US-Angriff auf den Iran im Juni und lobte die »phänomenale Arbeit«, die seine Superbomben gegen Teherans Atomanlagen geleistet hätten.

Der US-Präsident veröffentlichte daraufhin eine Botschaft des israelischen Botschafters, der Trump als »Auserwählten Gottes« pries und mit Harry S. Truman im Jahr 1945 verglich. Der damalige US-Präsident hatte den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki befohlen. Bis Ende 1945 hatte Japan rund 140 000 Menschenleben durch die US-Atombombenabwürfe verloren; Zehntausende weitere kamen aufgrund der Langzeitfolgen hinzu. Für dieses Leid haben die Japaner nie eine Entschuldigung erhalten.

Die Internationale

Die linke Medienlandschaft in Europa ist nicht groß, aber es gibt sie: ob nun die französische »L’Humanité« oder die schweizerische »Wochenzeitung« (WOZ), ob »Il Manifesto« aus Italien, die luxem­burgische »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«, die finnische »Kansan Uutiset« oder »Naše Pravda« aus Prag. Sie alle beleuchten inter­nationale und nationale Entwicklungen aus einer progressiven Sicht. Mit einer Reihe dieser Medien arbeitet »nd« bereits seit Längerem zusammen – inhaltlich zum Beispiel bei unserem inter­natio­nalen Jahresrückblick oder der Übernahme von Reportagen und Interviews, technisch bei der Entwicklung unserer Digital-App.


Mit der Kolumne »Die Internationale« gehen wir einen Schritt weiter in dieser Kooperation und veröffentlichen immer freitags in unserer App nd.Digital einen Kommentar aus unseren Partnermedien, der aktuelle Themen unter die Lupe nimmt. Das können Ereignisse aus den jeweiligen Ländern sein wie auch Fragen der »großen Weltpolitik«. Alle Texte unter dasnd.de/international.

Von den ukrainischen Schlachtfeldern, wo die Kämpfe anhalten und die Leichenberge weiter anwachsen, bis hin zur völkermörderischen Verwüstung des Gazastreifens – die dem Auge ein postatomares Szenario bietet – führen uns die heutigen Kriege zurück in die Dimension der Vergangenheit.

Die neun Atommächte geben Milliarden Dollar für die Modernisierung und Erweiterung ihrer Arsenale aus. In der Ukraine hat Russland seine Hyperschallraketen zum Einsatz gebracht. Putin hat wiederholt mit Atomwaffen gedroht und Befürchtungen geweckt, er könnte im Falle eines schlechten Kriegsverlaufs in der Ukraine – trotz Warnungen selbst aus China – das seit 1945 bestehende Tabu des Einsatzes brechen. Vor einigen Tagen beorderte Trump als Reaktion auf eine Atomdrohung des ehemaligen russischen Präsidenten Medwedew zwei Atom-U-Boote in die Nähe von Russland.

Wie der »Guardian« schreibt, werden wir heute von Staatschefs bedroht, die mobilen Versionen der »schwarzen Triade« sind: Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. »Und das in einer Welt, die von Klimawandel, Atomwaffen, Künstlicher Intelligenz und Killerrobotern bedroht ist.« Die weltweiten Verteidigungsausgaben werden Prognosen zufolge im Jahr 2024 insgesamt 2,46 Billionen Dollar erreichen, was einem realen Anstieg von 7,4 Prozent entspricht und damit deutlich über den bereits für 2023 und 2022 verzeichneten Steigerungen von 6,5 bzw. 3,5 Prozent liegt. Gleichzeitig wird auch für Chinas Militärhaushalt ein Anstieg um 7,4 Prozentpunkte erwartet, für Europa um 11,7 (mit einem Höchstwert von 23,2 in Deutschland) und für Russland um 41,9 Prozent.

Erinnert sich noch jemand an Präsident Obamas Rede von 2009 in Prag über eine atomwaffenfreie Welt? Die paradoxe Logik des Kalten Krieges, wonach die Bereitschaft, eine nukleare Apokalypse auszulösen, deren Verhinderung diente, schien eine längst verblasste Erinnerung zu sein. Stattdessen sind wir Zeugen des Verfalls, ja des Zusammenbruchs der Rüstungskontrollmechanismen geworden. Wir sprechen wieder von Kriegen, auch von Atomkriegen.

New Start, der letzte Vertrag zur Begrenzung von Atomwaffen, läuft im kommenden Februar aus, und ein Ersatz ist nicht in Sicht. Die USA und Russland sind dann nicht mehr an die Begrenzung auf 1550 strategische Sprengköpfe gebunden, während technologische Entwicklungen (Kommunikation, Satelliten, Hyperschall-Trägerraketen) und Chinas nukleare Vorreiterrolle (mit dem Ziel von 1000 Sprengköpfen) zu weiteren Destabilisierungen führen.

»Il Manifesto«

Die kommunistische Tageszeitung »Il Manifesto« ist bis heute ein wichtiger Bezugspunkt für die italienische Linke. Als eine der ersten Genossenschaft im Medienbereich organisiert, ist die Zeitung unabhängig von Parteien oder Verlegern. Die aktuelle verkaufte Auflage der Tageszeitung liegt heute bei etwa 15 000 Exemplaren.


Il manifesto entstand 1971 als politisches Projekt, begleitete die Arbeitskämpfe des »roten Jahrzehnts« beim Autokonzern Fiat sowie bei anderen Unternehmen und war getragen von der Welle der 68er-Bewegung, die in Italien besonders heftige gesellschaftliche Umbrüche auslöste.


Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung vom Nazifaschismus rief die Zeitung auch in diesem Jahr wieder zu einer großen Demonstration am 25. April in Mailand auf. Rund 100 000 Menschen kamen zusammen und setzten ein Zeichen gegen die extreme Rechte in Italien und Europa.



In den USA wird über die unverhältnismäßig hohen Kosten von Raketenabwehrsystemen und den Nutzen landgestützter Nuklearwaffen diskutiert. Die bekannten Abschuss-Silos für Interkontinentalraketen werden zum vorrangigen Ziel. Im Falle eines Hyperschallangriffs hätte der Präsident nur wenige Minuten Zeit, um zu entscheiden, ob er seine Raketen zur Reaktion einsetzt oder riskiert, sie zu verlieren. Das Risiko von Fehlkalkulationen und einer Eskalation steigt.

Der Indopazifik, auf den sich der skurrile US-Verteidigungsminister konzentriert, bietet Szenarien für einen Krieg mit China: durchzogen von Schiffen und gespickt mit Luftwaffenstützpunkten auf kleinen Inseln. Manche halten einen Krieg mit Atomwaffen geringer Sprengkraft für möglich. Das ist keine bloße Spekulation. Russische strategische Bomber wurden bereits von ukrainischen Drohnen angegriffen. Würden diese Attacken als »Stellvertreterangriffe« auf den atlantischen Feind gewertet, wäre der Konflikt bereits entfacht.

Auch die jüngsten Zusammenstöße zwischen Pakistan und Indien haben die Befürchtung einer umfassenden Eskalation, vom Terrorismus bis hin zum Nuklearkonflikt, in einer dicht besiedelten Region geweckt. Und im Europa der Atommächte Frankreich und Großbritannien verlagert sich die Debatte auf strategische Autonomie und den nuklearen Schutzschirm. Um es ganz offen zu sagen: Wenn die Ukraine den Krieg verliert, es zu einer Annäherung zwischen Moskau und Washington und einem weiteren Erstarken der souveränistischen Rechten kommt, wird sich Europa mit sehr ernsten Problemen auseinandersetzen müssen. Auch an der »Atomfront«.

Auch im zivilen Bereich befinden wir uns mitten in einer Ära der nuklearen Renaissance, die die Industrie als von dem Bestreben nach einer vollständigen Reduzierung der CO₂-Emissionen getrieben darstellt. Diese Entwicklung breitet sich auf den Süden der Welt aus, wie die angekündigten Investitionen in Paraguay und Uganda zeigen.

Achtzig Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki erklärt das Internationale Rote Kreuz, dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen und vernichtet werden müssen, bevor sich die Geschichte wiederholt. Nur wenige sprechen von Rüstungskontrolle, viele aber schießen auf das Rote Kreuz.

Dieser Text ist am 6. August in unserem italienischen Partnermedium »Il Manifesto« erschienen. Der mit KI-Programmen übersetzte Beitrag wurde nachbearbeitet und gekürzt.

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