Der FC Bayern will mit Lennart Karl und Co. eigene Werte schaffen

Warum der Rekordmeister aus München vermehrt auf Talente setzen will

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.
»Brillante Ballführung, herausragender Abschluss«: Lennart Karl wird beim FC Bayern mit Lob überschüttet.
»Brillante Ballführung, herausragender Abschluss«: Lennart Karl wird beim FC Bayern mit Lob überschüttet.

Oft ging es in diesem Sommer um Altersfragen, wenn vom FC Bayern München die Rede war. Meistens wurden dabei Urteile gefällt, die nicht schmeichelhaft klangen. Schon recht alt, zu alt oder zu teuer für sein Alter, hieß es. Gemeint war der Königstransfer Luis Díaz, der bald seinen 29. Geburtstag feiert. Je nach Erfolgen sollen die Münchner zwischen 67,5 und 75 Millionen Euro Ablöse für den Linksaußen an den FC Liverpool überweisen müssen.

Gegenläufiger Trend

Díaz hat dazu beigetragen, dass der Altersschnitt im Kader der Münchner von 26,4 Jahren in der Bundesliga aktuell mit 27 Jahren nur vom SC Freiburg übertroffen wird. Doch das liegt erstens auch an Ausreißern wie dem 39-jährigen Torwart Manuel Neuer – und täuscht zweitens über einen gegenläufigen Trend im Kader des Rekordmeisters hinweg.

Eine neue junge Welle von überwiegend deutschen Talenten lässt sich beim FC Bayern ausmachen. Der aus Hoffenheim geholte Tom Bischof zählt mit seinen 20 Jahren ebenso dazu wie sein drei Jahre jüngerer Mittelfeldkollege Lennart Karl und der 19-jährige Paul Wanner. Zuletzt machte auch der 18-jährige Mittelstürmer Jonah Kusi-Asare mit einem hübschen Schlenzer zum 4:0 im Testspiel gegen Tottenham Hotspur auf sich aufmerksam. Das 3:0 hatte Karl erzielt, ebenfalls per Schlenzer.

Nachwuchsteam im Profikader

Zur Mannschaft gehören zudem mit Torwart Jonas Urbig und Offensivstar Jamal Musial zwei 22-Jährige; ein Jahr jünger ist Mittelfeldspieler Aleksandar Pavlović, ein Jahr älter Rechtsaußen Michael Olise aus Frankreich. Und sollte der Transferpoker um Stuttgarts Stürmer Nick Woltemade nun doch noch einmal richtig Schwung aufnehmen und sogar in einen Transfer des 23-Jährigen zum FC Bayern münden, hätten die Münchner innerhalb ihrer Profibelegschaft fast schon ein gesamtes Nachwuchsteam beisammen.

Nebenbei würde der Altersschnitt auch sinken, weil Flügelspieler Kingsley Coman vor einem Abschied nach Saudi-Arabien zu Al-Nassr stehen soll, wo auch Cristiano Ronaldo sein Geld zählt. Dem FC Bayern winken 30 Millionen Euro Ablöse für den Franzosen. Auch dessen eingespartes Gehalt von angeblich 17 Millionen ließe sich nutzen, um die bisher vom VfB Stuttgart abgelehnten Angebote für Woltemade zu erhöhen. Das wissen die Schwaben auch, weshalb Alexander Wehrle Verhandlungsbereitschaft signalisierte. »Wenn man einen Spieler unbedingt verpflichten will, müsste man auch in der Lage sein, in dieser Zeit eine Lösung zu erzielen«, sagte der Vorstandschef des VfB am Montagabend. »Wir spielen am Samstag den Supercup. Bis spätestens zum Anpfiff sollte auch alles geklärt sein.« Nach der Partie gegen die Bayern sei Woltemade »unverkäuflich«.

Störgeräusche im Spielbetrieb

Was viele als Ultimatum interpretierten, war wohl eher ein Appell: wenn, dann bitte schnell eine neue Offerte einzureichen, um den Transfer zügig abzuwickeln. In Stuttgart sind sie genervt vom Dauertheater um Woltemade. Aber sie wissen auch, dass das Transferfenster erst am 1. September geschlossen wird und bis dahin ständig Störgeräusche im Spielbetrieb drohen, nachdem sich das Thema bereits durch die Vorbereitung gezogen hat. »Es ist jetzt eine Strecke von sechseinhalb Wochen. Irgendwann ist auch mal gut«, sagte Wehrle.

Beim FC Bayern werden auch die Talente interessiert verfolgen, wie der Verein auf Comans Abgang agiert. Zunächst einmal erhöht dieser ihre Chancen auf Einsätze. Das gilt allen voran für den hochbegabten Karl. Eine »brillante Ballführung« attestierte der Münchner Nachwuchschef Jochen Sauer dem 1,69 Meter kleinen Dribbler jüngst – »sein Abschluss ist herausragend«. Als Olises Back-up soll Karl eingeplant sein und immer wieder Spielminuten bekommen.

Ausufernde Kosten

Für Bischof, Leon Goretzkas Konkurrent, gilt das erst recht. Bereits im März 2022 hatte er mit 16 Jahren und 263 Tagen als jüngster Hoffenheimer sein Bundesligadebüt gegeben. Inzwischen verfügt er über die Erfahrung von 71 Profispielen für Hoffenheim und die Bayern. Zudem kam er im Juni zu seinem ersten Einsatz im Nationalteam von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Und auch Wanner habe nach seinen Leihstationen Elversberg und Heidenheim durch Musialas monatelangen Ausfall »eine Riesenmöglichkeit«, sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl. Allerdings wird er gerade von einer Bänderblessur ausgebremst.

Klar ist, dass die neue junge Welle vom Verein forciert wird. Trainer Vincent Kompany soll Talenten auch wegen der ausufernden Kosten auf dem Transfermarkt vermehrt Chancen geben, um eigene Werte zu schaffen. Auch an dieses Ziel erinnerte die Debatte um das Alter des teuren Königstransfers Luis Díaz.

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