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Streit um Palästina-Event an der Charité
Sicherheitsauflagen führen zur Absage einer Filmvorführung über Gaza
Verhindert die Charité systematisch Veranstaltungen und Diskussionsforen in Solidarität mit Palästina? Diesen schweren Vorwurf erheben die Studierendengruppe der Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzt*innen in sozialer Verantwortung (IPPNW) an der Charité, sowie die studentische Gruppe Decolonise und das Kollektiv Gesundheit4Palestine, ein Kollektiv von Gesundheitsarbeiter*innen in Berlin. Die Charité ist nicht nur eine der größten Universitätskliniken Europas, sondern fungiert auch als medizinische Fakultät von Humboldt- und Freier Universität.
Die drei Gruppen wollten eigentlich bereits am 23. Juli den Film »A State of Passion« zeigen. Dieser begleitet den Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu-Sittah, bei seiner Arbeit in Gaza mit Ärzte ohne Grenzen im Oktober 2023. Im Anschluss an die Veranstaltung war ein Gespräch mit Abu-Sittah geplant. Aber das Event konnte nicht stattfinden.
Wie auch die Charité auf nd-Anfrage bestätigt, wurde die Veranstaltung unter Vorbehalt genehmigt. »Letztlich wurden die damit einhergehenden Sicherheitsbedingungen aber nicht vollumfänglich akzeptiert«, so ein Sprecher der Klinik. In ihrem Statement schreiben die drei Gruppen, dass weniger als eine Woche vor dem Termin vom Charité-Prodekanat ein Gespräch gefordert worden sei, in dem Bedingungen gestellt worden seien, »welche die Sicherheit und Privatsphäre der Teilnehmenden erheblich gefährdet hätten«. Unter anderem ein Vorab-Teilen der Teilnehmendenliste, Ausweis- und Taschenkontrollen und ein explizites Hinzuziehen der Polizei bei nicht final spezifizierten Verstößen seien gefordert worden.
»Solche Einschränkungen hat es in all unseren Jahren als Studierende an der Charité bei keiner anderen Veranstaltung gegeben«, so das Statement. Die Charité entgegnet auf Nachfrage dazu, dass es sich um eine interne Veranstaltung der Studierenden handle. »Daher äußern wir uns dazu nicht öffentlich.« Auf die Frage, welche konkreten Sicherheitsbedenken solche Maßnahmen rechtfertigen, antwortet die Pressestelle allgemein: »In einem Krankenhausumfeld, wie es an der Charité gegeben ist, hat die Sicherheit der Patient*innen unbedingte Priorität. Insofern müssen an der Charité für politisch sensible Veranstaltungen besondere Sicherheitsmaßnahmen beachtet werden.«
Anlass, über das Gesundheitssystem in Gaza zu sprechen, gibt es eigentlich genug. Seit Beginn des Gaza-Krieges sind über 1000 Ärzt*innen und Mitarbeitende des Gesundheitswesens getötet worden, alle Krankenhäuser wurden systematisch zerbombt – fast die Hälfte der Klinken ist nicht mehr in Betrieb, keine einzige mehr voll funktionsfähig. Die drei veranstaltenden Gruppen sehen auch die Charité in der Pflicht, sich zu äußern und »zum Ende und zur Prävention von Gesundheitskrisen und Menschenrechtsverletzungen wie denen in Palästina beizutragen«. Das Schweigen von großen Universitätskliniken ermögliche und normalisiere Verstöße gegen fundamentale medizinethische Prinzipien sowie das humanitäre Völkerrecht. Den Vorwurf, systematisch Veranstaltungen und Diskussionsforen in Solidarität mit Palästina zu verhindern, weist die Charité »dezidiert« zurück.
Das Universitätsklinikum sagt, es engagiere sich sowohl mit dem vor zweieinhalb Jahren gegründeten CharitéCenter for Global Health als auch mit dem World Health Summit als »internationale Plattform zum Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über alle Aspekte der globalen Gesundheit auf diesem Gebiet«. Ein Statement zur Situation des Gesundheitssystems in Gaza sei nicht geplant, so die Pressestelle.
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