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Alaska-Gipfel: Im Osten nichts Neues
Nach dem Alaska-Gipfel ist weiter keine Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine in Sicht
Nach dem Gipfeltreffen der Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump, in Alaska steht zunächst einmal fest: Der Krieg geht weiter. Russland greift weiter ukrainische Städte aus der Luft und ukrainisches Militär am Boden an. Aus Tschernigiw im Norden des Landes wurden Drohnenangriffe gemeldet. Und in der russischen Grenzregion Belgorod ist in der Nacht zum Sonntag eine Frau durch eine ukrainische Drohne verletzt worden, wie der dortige Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram mitteilte.
Nun spricht selbst US-Präsident Trump nicht mehr vom Vorrang eines sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstandes in der Ukraine. Offensichtlich hat Putin ihn von etwas anderem überzeugt. Nun geht es gleich um ein umfassendes Friedensabkommen für die Ukraine, an dem die beiden Staaten arbeiten wollen. Was sich schön anhört, besteht in der Praxis aus vielen Punkten und der Weg dorthin ist zeitraubender als die Umsetzung einer Waffenruhe.
Der im Showgeschäft versierte Donald Trump weiß, wie er sich und seine Partner inszenieren kann. Eingeladen hatte er Wladimir Putin auf den strategisch bedeutsamen Luftwaffenstützpunkt Elmendorf-Richardson in Anchorage. Beide hatten am Freitag fast zeitgleich ihre Flugzeuge verlassen. Für ihren ersten Händedruck kamen sie sich auf einem roten Teppich entgegen, während B2-Bomber, wie sie kürzlich den Iran bombardiert hatten, über den Platz flogen. Eine folgende gemeinsame Fahrt auf dem Rücksitz von Trumps Limousine ermöglichte ein vertrauliches Gespräch.
Auf der abschließenden Pressekonferenz durfte Putin als erster über acht Minuten über die Gespräche, die von beiden Seiten »in konstruktiver, von gegenseitigem Respekt geprägten Atmosphäre« geführt worden seien, berichten. Der russische Präsident erinnerte daran, dass dies das erste Treffen auf höchster Ebene seit vier Jahren war. Trump brauchte gerade mal gut drei Minuten, um ebenfalls das »produktive Treffen« zu loben und nachzuschieben, dass man sich nicht in allen Punkten geeinigt habe.
Konkreter wurden die Informationen über die Inhalte des Gipfels erst am Tag danach. Die »New York Times« berichtete unter Berufung auf zwei hochrangige europäische Regierungsbeamte, Trump habe bei einem vertraulichen Gespräch mit europäischen Staats- und Regierungschefs einen umstrittenen Friedensplan vorgestellt. Demnach solle die Ukraine auch Territorien an Russland abtreten, die bisher noch nicht von dessen Truppen kontrolliert werden. Dies wolle Trump am kommenden Montag im Weißen Haus auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besprechen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich weitgehend zufrieden mit dem Treffen zwischen dem US-Präsidenten und Russlands Staatschef gezeigt. Die Ergebnisse seien »sehr viel weitgehender, als wir das in der Pressekonferenz gesehen haben«, erklärte Merz im ZDF. Außerdem sei es eine »gute Nachricht«, dass die USA bereit seien, sich an Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu beteiligen.
In der Ukraine treffen die jüngsten US-russischen Verhandlungen auf Kritik. So hatten sich am Freitag mehrere Dutzend Menschen vor der US-Botschaft in Kiew unter dem Motto: »Gefangenenaustausch ja – Gebietsaustausch Nein« versammelt. Für den Publizisten Ivan Jakovina kommen Putins Forderungen fast einer Kapitulation der Ukraine gleich. »Die beste Sicherheitsgarantie sind meiner Meinung nach zwei Dutzend Atomraketen. An zweiter Stelle stehen hundert voll bewaffnete F-15 und F-16«, schreibt Jakovina auf seiner Facebook-Seite.
Auf dem Telegram-Kanal des Philosophen und Bloggers Sergi Jagodsinski reagieren die Leser unterschiedlich auf die Alaska-Gespräche. »Ich denke, Putin ist doch nicht einfach gekommen, um sich fotografieren zu lassen. Also gibt es Hoffnung auf ein Ende des Krieges«, meint eine »Roma«. Eine »Mariwana« glaubt hingegen, »dass das alles so weitergeht bis zur Kapitulation einer Seite«. Und ein »Wicher« will wissen, »ob nun Territorien interessanter sind als Menschen«. Gleichzeitig wünscht sich ein »Levan Lomidze« härtere Sanktionen der USA gegen Russland.
Ein »Skyup 69« wiederum sieht hier »eine neue Münchner Verschwörung«. »Trump ist ein Feigling, er wird keine radikaleren Maßnahmen ergreifen«, meint ein »Rusik« und fährt fort: »Bis gestern hatte ich noch Hoffnung. Nun wird der Krieg weitergehen, Menschen werden massenweise sterben.« Ein »Alexej Girin« kommentiert die Absetzung des Abendessens auf dem Gipfel sarkastisch, dass es doch ein Essen geben werde. Da stünden die Ukraine und ihre Bevölkerung auf dem Speiseplan. »Sergi Jagodsinki« hingegen ist optimistischer. Ein einzelnes Treffen sei noch zu wenig für einen Friedensschluss. »Ich danke Ihnen für den Versuch, Herr Präsident!«, wendet er sich an Trump.
Gegenüber »nd« meint ein Kiewer Busfahrer: »Wenn Putin einem sofortigen Waffenstillstand zugestimmt hätte und Trump garantiert hätte, dass die USA keiner Aufnahme der Ukraine in die Nato zustimmen werden, müsste ich mich heute nicht mehr vor den russischen Drohnen fürchten.« Wie gespalten die ukrainische Gesellschaft in ihrer Haltung zum Krieg ist, zeigen auch die jüngsten Daten zur Fahnenflucht. So berichtet der ukrainische Journalist Volodymyr Boiko von allein 125 216 neuen strafrechtlich relevanten Fällen in den ersten sieben Monaten dieses Jahres.
Auch in Russland ist die Stimmung uneinheitlich. In einem Video des ukrainischen Bloggers Pawel Prjadko meint ein junger Passant in Moskau: »Mir reicht es, unter den Sanktionen zu leben. 2018 und 2019 war das Leben noch einfacher. Ich will, dass das aufhört.« Und eine weitere Passantin in Moskau sieht alleine in dem Treffen ein positives Zeichen: »Dass wir einen Dialog haben, ist schon wichtig«, meint sie.
Der Gipfel in Alaska habe »Russlands Streben nach einem langfristigen und gerechten Frieden bestätigt«, erklärte Andrej Klischas, Vorsitzender des Ausschusses für Verfassungsrecht und Staatsaufbau des Föderationsrates. »Die Ziele der speziellen Militäroperation werden entweder auf militärischem oder diplomatischem Wege erreicht werden. Es wird keinen bedingungslosen Waffenstillstand geben«, betonte der Politiker.
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