Braunschweig gegen Stuttgart: So geht DFB-Pokal

Titelverteidiger Stuttgart fliegt beinahe in der ersten Runde gegen Zweitligist Braunschweig raus

  • Johann Caspar Nilius
  • Lesedauer: 5 Min.
Erst unglücklich, dann Spieler des Spiels. Alex Nübel wehrte gleich drei Elfmeter der Braunschweiger ab.
Erst unglücklich, dann Spieler des Spiels. Alex Nübel wehrte gleich drei Elfmeter der Braunschweiger ab.

»Das sind die Nächte, von denen immer geredet wird. Das war ein schweres Auswärtsspiel. Das war für den neutralen Zuschauer brutal, zuzuschauen. Das war nervenaufreibend«, sagte VfB-Stuttgart-Stürmer Ermedin Demirovic, nachdem sich seine Mannschaft im Elfmeterschießen gegen Eintracht Braunschweig durchgesetzt hatte. Dem amtierenden Pokalsieger fiel es dabei enorm schwer, sich aus dem Dauerdruck des Zweitligisten aus Niedersachsen zu befreien. »Ich glaube, wir haben Stuttgart heute in Grund und Boden gerannt«, sagte Eintracht-Kapitän Sven Köhler nach dem Duell.

Köhler selbst hatte seine Mannschaft früh in Führung gebracht. Doch Vorsprünge währten in diesem Spiel nicht lange: Erst drehte Demirovic mit zwei Treffern die Partie zugunsten der Schwaben, dann traf Fabio Di Michele Sanchez doppelt für Braunschweig und führte sein Team vermeintlich auf die Siegerstraße. Nick Woltemade glich dann doch kurz nach seiner Einwechslung für den VfB aus – zehn Minuten, bevor Schiedsrichter Florian Exner die zweite Halbzeit abpfiff: Verlängerung! Der nächste Treffer fiel wieder für die Stuttgarter, doch auch nach dem Eigentor von Sanoussy Ba dachten die Löwen nicht daran, aufzugeben. In der 105. Minute glich Christian Joe Conteh final zum 4:4 aus. Die Entscheidung musste im Elfmeterschießen fallen. Torwart Alexander Nübel, der bei mehreren Gegentreffern zuvor noch unglücklich ausgesehen hatte, avancierte für Stuttgart nun zum Helden: Er hielt drei Elfmeter und brachte seiner Mannschaft dadurch den Sieg.

Die neue Eintracht

»Wir haben das Spiel trotzdem gewonnen: Alleine, dass wir 120 Minuten mithalten, vier Tore schießen, zweimal zurückkommen – das ist für mich ein Sieg«, sagte Braunschweigs Trainer Heiner Backhaus nach dem Spiel. Er verwies auch darauf, dass viele seiner Spieler im letzten Jahr noch Teil der Eintracht-Mannschaft waren, die sich erst in der Relegation überhaupt in der zweiten Liga hat halten können. »Wer weiß, wie viele hier im Verein ihren Job verloren hatten, da geht es um Existenzen«, sagte er über den Druck, der vor drei Monaten auf dem Team lag. »Heute bist du der Außenseiter gegen den deutschen Pokalsieger. Sorry, aber das macht ja Spaß, du hast ja nichts zu verlieren«, so der Trainer.

Ein Großteil der Spieler, die schon damals dabei waren, spielte in der letzten Saison noch keine größeren Rollen bei den Niedersachsen. Dass sie nun aufblühen, ist auch Backhaus zu verdanken: Der 43-Jährige hat den Klub im Sommer übernommen und ist erfolgreich in die neue Saison gestartet. Zwei Siege in drei Spielen in der Liga und nun den Pokalsieger an den Rand einer Niederlage gebracht – die Backhaus-Eintracht kann sich sehen lassen. Das findet auch Kapitän Köhler: »Jeder, der es mit Eintracht Braunschweig hält, sollte heute stolz nach Hause gehen.«

Der VfB wiederum kann nicht glücklich darüber sein, wie der Saisonstart bisher lief: Nach einer knappen Niederlage im Supercup gegen den FC Bayern unterlagen sie am Wochenende auch beim Auftakt in der Bundesliga gegen Union Berlin. Obwohl sie eine Runde weitergekommen sind, dürfe die Mannschaft auch mit der Leistung im Pokal nicht zufrieden sein, so Trainer Sebastian Hoeneß. »Die Braunschweiger Mannschaft hat uns mit ihrem Pressing vor große Probleme gestellt«, sagte er nach dem Spiel. Dem Team fehlte augenscheinlich ein Plan, um damit umzugehen, was auch daran liegen könnte, dass die Abwehr des VfB so noch nie in einem Pflichtspiel zusammengespielt hatte. Aus der Viererkette, die gegen Bayern und Union auflief, blieb einzig Maximilian Mittelstädt in der Startformation. So fehlten im Aufbauspiel jegliche einstudierten Abläufe – und Braunschweig konnte daraus Nutzen ziehen.

Fans fordern Pokalspiele am Pokalwochenende

Mit Kritik muss sich nun nicht nur Hoeneß auseinandersetzen, sondern auch die Deutsche Fußball Liga (DFL), weil sie den Supercup zwischen Meister und Pokalsieger während des Pokalwochenendes terminierte. Fangruppen boykottierten daraufhin das Supercup-Spiel, wie schon im Vorjahr, als der VfB auf Bayer Leverkusen getroffen war. Die Ultra-Gruppierung »Commando Cannstatt 1997« begründete dies vor einem Jahr wie folgt: »Der DFL-Supercup hat aus unserer Sicht keinerlei sportlichen Reiz als Wettbewerb und dementsprechend für uns keine Relevanz, die ein organisiertes Auftreten rechtfertigen würde. Dass durch die Austragung des Supercups am Pokal-Wochenende eine völlig unnötige zusätzliche englische Woche bestritten werden muss, kommt noch erschwerend hinzu.«

Während beide Trainer verkündeten, ihren Spielern am nächsten Tag freizugeben, können Fans sich diesen Luxus häufig nicht leisten oder müssen extra Urlaub beantragen, um ihr Team zu unterstützen. Da der erste Pokalspieltag in der Regel am Wochenende stattfindet, wenn es diesen Umstand nicht gibt, ist der Ärger der Fans verständlich. Immerhin liegen zwischen Stuttgart und Braunschweig annähernd 500 Kilometer, welche die angereisten Fans überbrücken müssen.

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