China: Kim Jong-un ist ein guter Freund

Bei Chinas Militärparade steht Nordkoreas Staatschef in der ersten Reihe

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Zigarettenpause vor der Abfahrt aus Pjöngjang: Kim Jong-un (l.) fährt mit dem Zug nach Peking zur Militärparade am Mittwoch.
Zigarettenpause vor der Abfahrt aus Pjöngjang: Kim Jong-un (l.) fährt mit dem Zug nach Peking zur Militärparade am Mittwoch.

Wenn am Mittwoch Xi Jinping und Wladimir Putin gemeinsam über den Tiananmen-Platz in Peking blicken, dabei reichlich vorbeirollendes Militärgerät vor sich sehen, wird neben ihnen auch Nordkoreas Diktator Kim Jong-un stehen. Dies jedenfalls meint der Geheimdienst des mit Nordkorea verfeindeten Südkorea zu wissen, wie am Dienstag bekannt wurde. Wie ein unerschütterliches Dreierteam dürften sie dastehen. Drei Autoritäre, die zusammenstehen.

Anlass ist das 80-jährige Jubiläum des Endes des Zweiten Weltkriegs, wie es in China gezählt wird. Schon ab 1937 hatte das Japanische Kaiserreich, das im Zweiten Weltkrieg dann in einer faschistischen Allianz mit Deutschland kämpfte, eine Offensive gegen China gefahren. Als Japan kurz Abwurf zweier US-amerikanischer Atombomben über Hiroshima und Nagasaki 1945 kapitulierte, zählte auch China – das sich selbst seit fast 20 Jahren im Bürgerkrieg befand – zu den Siegermächten. Dies feiert man nun groß.

Bündnispolitik über Symbolik hinaus

Wobei die Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs weniger als Aufruf zum Pazifismus daherkommen, eher als Demonstration militärischer Stärke – an der eben auch ein paar gute Freunde teilhaben dürfen. So gilt die Aussicht, die neben Chinas Staatspräsident Xi Jinping offenbar auch Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Kim Jong-un von der ersten Reihe aus genießen dürfen, längst nicht nur als Symbolik. Sie gilt als so etwas wie Bündnispolitik.

Im demokratisch regierten Südkorea, das seit dem dreijährigen Korea-Krieg (1950–53), der zu Millionen Toden führte, mit dem Ein-Parteienstaat Nordkorea formal im Kriegszustand verharrt, ist Kims Reise ins benachbarte China großes Thema: »›Seite an Seite‹ mit Xi und Putin auf Chinas Militärparade«, titelte am Dienstag Yonhap, Südkoreas Nachrichtenagentur. »Dieser Besuch markiert Kims ersten Trip nach China seit sechs Jahren und acht Monaten«, dokumentiert die konservative Zeitung »Joongang Ilbo«.

Am Dienstagnachmittag machte dann die rechtsgerichtete Zeitung »Chosun Ilbo« mit einer Eilmeldung auf: »Kim Jong-un erreicht Peking für die Siegestagsparade.« Nur: Ist das alles wirklich so wichtig? Aus südkoreanischer Perspektive ist die Antwort eindeutig: Ja. Denn während 26 ausländische Staatsvertreter zu diesem Anlass nach Peking gereist sind, ist es für Kim Jong-un die erste Teilnahme an einem multilateralen diplomatischen Ereignis seit seiner Amtseinführung 2011, nachdem Vater Kim Jong-il verstorben war.

Nordkorea, ein Staat ohne freie Presse oder Wahlen und mit schweren Menschenrechtsverletzungen, ist über Jahrzehnte international eher isoliert gewesen. Hintergrund waren vor allem schwere UN-Sanktionen, die mit dem Atomprogramm des nordostasiatischen Staates zusammenhängen. Der Handel mit Nordkorea ist daher weitgehend verboten, auch wenn in China, Russland, Iran und weiteren Staaten entsprechende Regeln schon länger umkurvt oder ignoriert worden waren.

Doch der Angriff Russlands auf die Ukraine seit Februar 2022 hat die Lage für Nordkorea grundlegend verändert. Indem seither auch Russland mit schweren westlichen Sanktionen belegt ist, hat sich Wladimir Putin an Nordkorea gewandt, zu dem Russlands Vorgängerstaat Sowjetunion bereits während des Kalten Krieges enge Beziehungen geführt hatte. Während liberale Staaten – inklusive Südkorea – im Krieg die Ukraine unterstützen, schickt Nordkorea nun Waffen und Soldaten gen Russland.

Nordkorea, das in vergangenen Jahren immer wieder mit Raketentests Sorgen vor einem neuerlichen Krieg auch in Ostasien provoziert hat, ist der wohl größte Gewinner des russischen Angriffs auf die Ukraine. Denn seither konnte sich Diktator Kim Jong-un nicht nur im Glanz gegenseitiger Staatsbesuche aus und nach Moskau sonnen. Da China, Nordkoreas weiterhin mit Abstand größter Handelspartner, eine enge Partnerschaft mit Russland pflegt, kommt Nordkorea nun auch in den Genuss multilateraler Legitimation.

Dies hat nicht nur Bedeutung für Nordkorea, wo laut UN-Schätzungen ein Großteil unterernährt ist, während die Regierung immerzu aufrüstet. Auch geopolitisch sind Auswirkungen spürbar. Vorm neuerlichen Ausbruch des Ukraine-Kriegs war Nordkorea daran gelegen, ein Ende der UN-Sanktionen herbeizuführen, wozu es sich um bessere Beziehungen zu den USA bemühte, die im Korea-Krieg den Süden unterstützten und heute dort große Militärbasen unterhalten, wodurch sich Nordkorea bedroht sieht.

Letzte Verhandlungen in Trumps erster Amtszeit

Nun aber hat Kim so einen Austausch weniger nötig. So hat Kims Schwester Kim Yo-jong, die in Pjöngjang eine hohe Position bekleidet, jüngste Äußerungen aus Seoul und Washington, man sei interessiert an neuen Gesprächen, schon abgewatscht. »Sie gehen von der dummen Überlegung aus, dass es gut wäre, wenn es ihnen gelänge, uns zu einer Reaktion auf ihre Aktionen zu bewegen. Und wenn nicht, würden ihre Aktionen zumindest ihre ›Bemühungen um Entspannung‹ widerspiegeln«, so Kim Yo-jong zuletzt.

Einige Analysten vermuten aber, dass ein baldiges Ende des Ukraine-Krieges auch auf der koreanischen Halbinsel zu Tauwetter führen könnte. Hätte Russland fortan weniger Unterstützung für Nordkorea übrig, würde die Regierung in Pjöngjang wieder offener für Gespräche mit den USA und Südkorea, die unter US-Präsident Donald Trump und Südkoreas seit Juni regierenden liberalen Präsidenten Lee Jae-myung diesen Wunsch schon ausgedrückt haben. Zuletzt verhandelten die USA und Südkorea im Jahr 2019 mit Nordkorea. Wie heute hieß der US-Präsident damals Donald Trump.

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