Mit Bürgergeldkürzungen ins Paradies

Über das Utopia des Friedrich Merz sinniert Andreas Koristka

Dank dem Bundeskanzler wird jetzt bei Nudeln und Toastbrot immer ganz genau mitgerechnet.
Dank dem Bundeskanzler wird jetzt bei Nudeln und Toastbrot immer ganz genau mitgerechnet.

Friedrich Merz möchte Geld sparen. Das ist ein lobenswertes Ansinnen. Wenn er abends aus dem Kanzleramt nach Hause geht, achtet er penibel darauf, dass alle Lampen ausgeschaltet sind und die Thermostate der Heizkörper auf das Sternchen zurückgedreht wurden. Auf der Toilette drückt er beim kleinen Geschäft stets die Spülstopptaste und er verbraucht nie mehr als drei Blatt vom Klopapier.

Doch alle Bemühungen des Kanzlers, dem Staat den ein oder anderen Euro zu sparen, werden vom Heer der Bürgergeldempfänger zunichte gemacht, die fröhlich in ihren Plattenbaupalästen sitzen und sich feixend mit Meckstädter Doppelkorn zuprosten. 50 Milliarden Euro bekommen diese Leute jährlich. Zum Vergleich: Für Andi Scheuers geplatzte Ausländermaut musste der Bund lediglich 270 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Wenn es keine Bürgergeldempfänger gäbe, könnte sich Deutschland also locker 185 Andi Scheuers pro Jahr leisten! Man kann nur ahnen, wie unterhaltsam das wäre.

Andreas Koristka
Autorenfoto von Andreas Koristka am Donnerstag, den 10. Oktober ...

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Aber das Geld müsste nicht zwangsweise für solch ein spannendes politisches Experiment ausgegeben werden (es sei denn, der CSU-Proporz lässt keine andere Möglichkeit zu). Man könnte es auch dazu verwenden, der Bundeswehr ein weiteres Sondervermögen zukommen zu lassen. Das kann die Armee dann dazu verwenden, um allen Bürgergeldempfängern ein Jobangebot zu machen. Deutschland wäre mit einem Mal kriegstüchtig.

Noch dürften solche Überlegungen an der SPD scheitern, aber deren Haltung in der Sache ist nicht in Stein gemeißelt. Außerdem können sich politische Mehrheiten ändern. Bis das der Fall ist, besteht Merz darauf, dass fünf Milliarden Euro beim Bürgergeld gestrichen werden. 10 Prozent, das ist doch schon was! Auch dieses Geld kann einen gewissen gesellschaftlichen Einfluss haben. Wenn auch nur ein Bürgergeld-Empfänger, nachdem er sich am Monatsende die Nudeln nicht mehr leisten kann, auf die Idee kommt, künftig als Pilot zu arbeiten, dann sieht sich Friedrich Merz vielleicht nicht mehr dazu gezwungen, sein Flugzeug selbst zu steuern.

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In unserer Gesellschaft ist es wichtig, dass alle mittun. Denn wie Friedrich Merz richtig erkannt hat, können wir uns »dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten«. Deshalb kann man sich nicht einfach aufs Sofa legen und behaupten, dass man nach der Abwicklung des Chemieanlagenbaukombinats in Grimma nirgends einen Fuß in die Tür bekommen hat. Ein bisschen mehr Engagement darf man wohl erwarten. Man stelle sich nur vor, jeder wäre so zielstrebig wie der Bundeskanzler selbst. Dann hätte es jeder in der Bundesrepublik mindestens zum BlackRock-Aufsichtsratschef gebracht. Wir wären ein Volk von Multimillionären!

Dann, und nur dann, bräuchten wir nicht mehr arbeiten. Denn wir könnten die Arbeit von schlecht bezahlten Billiglohnkräften ausführen lassen. Die paar Piepen hätten wir schließlich locker übrig. Diese Gesellschaftsform, in der alle reich sind und die Arbeit von den Armen erledigt wird, ist das Utopia, dass sich der Kanzler offensichtlich erdacht hat. Die Kürzungen des Bürgergeldes sind ein erster Schritt in dieses Paradies. Man kann nur hoffen, dass Merz‘ langfristiger Plan eines Tages aufgeht.

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