Keine Spende für Verein: Wurzen trocknet Zivilgesellschaft aus

Stadtrat lehnt Privatspenden für Demokratieverein ab

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
»Offen« heißt es vor dem Kulturzentrum D5 in Wurzen, das nach dem Verlust von Fördergeld für seinen Trägerverein aber häufiger geschlossen bleiben wird.
»Offen« heißt es vor dem Kulturzentrum D5 in Wurzen, das nach dem Verlust von Fördergeld für seinen Trägerverein aber häufiger geschlossen bleiben wird.

Die Entscheidung kam für das »Netzwerk Demokratische Kultur« (NDK) in Wurzen nicht überraschend, ein schwerer Schlag für die Arbeit des Demokratievereins ist sie dennoch. Der Stadtrat verweigerte am Dienstag mit deutlicher Mehrheit die Annahme privater Spenden, mit denen der kommunale Anteil für eine deutlich höhere Förderung aus einem der sächsischen Kulturräume hätte bestritten werden sollen. Einen kommunalen Zuschuss in Höhe von 12 900 Euro hatte der Rat bereits im April in geheimer Abstimmung verwehrt. Danach hatte es eine Spendenkampagne für das NDK gegeben, die nun aber ins Leere gelaufen ist.

Die Verweigerung des Stadtrats wurde von einer breiten rechtskonservativen Mehrheit getragen. Es gab zwölf Stimmen gegen die Annahme der Spenden. Sie stammten von Stadträten der AfD, der CDU und der Initiative »Bürger für Wurzen«. Nur zwei Ratsmitglieder der Linken und der parteilose Oberbürgermeister Marcel Buchta votierten für den finanziellen Zuschuss, etliche Abgeordnete waren abwesend. Im April hatten zwölf der 20 Stadträte gegen die Finanzierung des NDK gestimmt; so viele Stimmen haben AfD und CDU gemeinsam.

Die linke Landtagsabgeordnete Jule Nagel erklärte, es sei nicht überraschend, dass die AfD gegen die demokratische Zivilgesellschaft zu Felde ziehe. Es schockiere aber, dass die vom Landtagsabgeordneten Kay Ritter geführte Wurzener CDU »gemeinsam mit der extremen Rechten das demokratie- und kulturpolitische Leuchtturmprojekt NDK massiv schwächt«. Sie forderte CDU-Landeschef und Ministerpräsident Michael Kretschmer auf, »klare Worte« in Richtung der kommunalen Mandatsträger seiner Partei zu finden. Die grüne Landtagsabgeordnete Katja Meier erklärte, es sei ein »politischer Offenbarungseid, wenn AfD, CDU und Bürger für Wurzen lieber 150 000 Euro Landesgelder verfallen lassen, als einem anerkannten Demokratieverein die Förderung zu sichern«.

»Man muss dem Land Druck machen, damit das nicht zur Mode wird.«

Torsten Pötzsch Ex-Oberbürgermeister Weißwasser

Die Abstimmung in Wurzen offenbart einmal mehr eine eklatante Lücke im sächsischen Kulturraumgesetz. Über dieses finanziert der Freistaat mit Landesmitteln viele regionale Museen, Theater, aber etwa auch soziokulturelle Zentren (SKZ). Voraussetzung ist aber, dass die sogenannten »Sitzgemeinden« einen »angemessenen« Anteil beisteuern. Diesen Hebel nutzt die in vielen Stadt- und Gemeinderäten seit der Kommunalwahl im Juni 2024 stark vertretene AfD, um unliebsame Einrichtungen auszutrocknen. So war im Frühsommer auch das SKZ Hafenstube Telux in Weißwasser in Schwierigkeiten geraten, weil eine AfD-geführte Ratsmehrheit den Sitzgemeindeanteil von 44 000 Euro verweigerte. Auch dort hatte es anschließend eine Spendenkampagne gegeben. Anders als jetzt in Wurzen, erlaubte der Stadtrat schließlich die Annahme der Mittel durch die Stadt.

Dennoch wies Torsten Pötzsch, der langjährige Oberbürgermeister von Weißwasser, schon damals auf die Schwachstelle im Gesetz hin. Durch die Verweigerung des obligatorischen kommunalen Zuschusses könnten »Dinge gezielt zugemacht werden«, sagte der parteilose Kommunalpolitiker dem »nd« und kündigte an, sich bei Landespolitikern und dem zuständigen Ministerium für eine Korrektur einzusetzen. Das Gesetz müsste es seiner Ansicht nach zulassen, dass der kommunale Zuschuss durch Mittel von Dritten, etwa Spenden, ersetzt wird, ohne dass der Stadtrat das blockieren kann. »Man muss dem Land Druck machen, damit das nicht zur Mode wird«, sagte Pötzsch. Auch Jule Nagel warnte, Wurzen drohe zur »Blaupause« für andere Orte zu werden. Die Staatsregierung müsse sicherstellen, dass Fördermittel auch dorthin fließen, »wo extrem rechte Stimmungsmache und Lügen zivilgesellschaftlichen Akteuren die Arbeitsgrundlage entziehen sollen«. Meier forderte ebenfalls auf Landesebene »verbindliche Regelungen, damit anerkannte Träger der Demokratieförderung nicht länger von parteipolitischen Machtspielen in den Kommunen abhängig sind«.

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Das NDK, das seit einem Vierteljahrhundert besteht und zu den renommiertesten Demokratievereinen in Sachsen gehört, hatte bereits nach der Abstimmung im April von einem »dezidiert politisch motivierten Angriff auf einen alternativen Teil der demokratischen Zivilgesellschaft« gesprochen. Für den Verein haben die Entscheidung und der damit verbundene Verlust an Fördermitteln gravierende Folgen, wenn er auch nicht in seiner Existenz bedroht ist und seine Arbeit nicht gänzlich einstellen muss. Geschäftsführerin Martina Glass hatte dem »nd« kürzlich vorgerechnet, dass 60 bis 70 Prozent der Fördergelder vom Land kommen, darunter auch aus dem Programm Weltoffenes Sachsen (WOS). Die Bildungsarbeit an Schulen im Landkreis könne daher weitergehen, auch andere Angebote werden fortgesetzt. »Programme wie das WOS sorgen dafür, dass wir nicht gleich nach Hause gehen müssen«, sagte Glass.

Allerdings stünden viele der Angebote, die das NDK in seinem Kultur- und Bürgerzentrum am Domplatz 5 bisher für die Stadtgesellschaft bereitgestellt hat, zur Disposition. Betroffen seien rund 30 Kulturveranstaltungen im Jahr, offene Räume für Vereine und Initiativen sowie die Begleitung von Ehrenamtlichen. »Als offenes Haus«, sagte Glass, »würde es das D5 in der bisherigen Form nicht mehr geben.« Mit der Abstimmung vom Dienstag hat der Stadtrat also vor allem dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Wurzen erheblichen Schaden zugefügt.

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