- Politik
- Demo gegen Kriege in Gaza und der Ukraine
Tausende bei Demonstration »Stoppt den Völkermord in Gaza«
Die BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht und weitere prominente Gäste sprachen am Brandenburger Tor
Nach Schätzungen der Polizei waren es 12 000, nach Veranstalterangaben 20 000 Menschen, die am Samstagnachmittag an einer Kundgebung mit dem Titel »Stoppt den Völkermord in Gaza« in Berlin teilnahmen. Sie waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Ein Bündnis um die BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht, den Schauspieler Dieter Hallervorden und den Rapper Massiv hatte zu der Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor aufgerufen.
Hauptrednerin war Wagenknecht. Sie erhielt schon Applaus, bevor sie überhaupt zu sprechen begann. Der steigerte sich, als Wagenknecht eine Linie vom Nahen Osten zur Ukraine zog. »Wer Tränen über die Toten in der Ukraine vergießt, aber über die Leichenberge im Gaza schweigt, meint es nicht ernst«, rief sie.
»Wir alle sind hier, weil wir unsere Stimme erheben gegen die menschenverachtenden Kriege auf dieser Welt«, sagte Wagenknecht und betonte: »Auch wir verurteilen das schreckliche Massaker der Hamas und die Geiselnahmen.« Nichts rechtfertige aber, »zwei Millionen Menschen im Gazastreifen, die Hälfte davon Kinder, wahllos zu bombardieren, zu ermorden, auszuhungern und zu vertreiben«.
Die BSW-Chefin kritisierte die Bundesregierung für ihre »bedingungslose Treue« zur »rechtsextremen« israelischen Regierung und forderte einen vollständigen Stopp von Waffenexporten nach Israel. »Kriege beendet man nicht mit immer mehr Waffen. Kriege beendet man mit Diplomatie«, rief Wagenknecht ihren Zuhörern zu. Notwendig sei eine starke Friedensbewegung – für Frieden im Gazastreifen und in Europa.
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Per Videobotschaft kam auch der linke israelische Historiker und Soziologe Moshe Zuckermann zu Wort. Weder die israelische Regierung noch die Hamas wollten den Krieg beenden, sagte er. Die Mehrheit der israelischen Bevölkerung stehe dem Leid in Gaza zudem gleichgültig gegenüber. Eine Beendigung des Kriegs sei deshalb nur durch internationalen Druck möglich.
Schon nach Wagenknechts Rede beginnt sich der Platz indes langsam wieder zu leeren, obwohl die Kundgebung insgesamt zwei Stunden dauert. »Wir wollten Sahra wieder einmal sehen«, sagt eine ältere Frau mit einem Friedenstauben-Plakat, die extra aus Mecklenburg gekommen ist. Neben Friedenssymbolen und den Wimpeln mit dem Schriftzeug des BSW waren auch zahlreiche Palästina-Fahnen zu sehen.
Zum Ende der Kundgebung kommen alle Redner*innen noch einmal kurz auf die Bühne. Ein junger Mann ist enttäuscht, weil er gehofft hatte, dass Massiv noch ein Konzert gibt. Insgesamt war der Altersdurchschnitt auf der Kundgebung hoch, jüngere Menschen waren deutlich in der Minderheit.
In einer Ecke hat sich eine größere Gruppe Jugendlicher mit linken Transparenten postiert, die sich gegen Faschismus und Krieg wenden. Sie gehören zum Bund der Kommunist*innen, einer parteiunabhängigen linken Berliner Gruppe. »Wir wollen mit unserer Präsenz hier zeigen, dass es auch linke Antimilitarist*innen gibt«, sagt eine junge Frau dem »nd«.
Auf der großen Bühne betont Rapper Bausa, er sei weder links noch rechts, sondern ein Mensch, der Frieden will. Zuvor hatte sein Musikerkollege Massiv erklärt, er stehe »für Menschlichkeit«. Fast alle Redner*innen betonten, ihr Protest gegen das Vorgehen Israels in Gaza habe nichts mit Antisemitismus zu tun. Wagenknecht hatte bereits vergangene Woche auf einer Pressekonferenz betont, dass der Antisemitismus-Vorwurf missbraucht werde, um Widerstand gegen Kriegsverbrechen zu diskreditieren.
Besonders vehement beharrt die Publizistin Gabriele Krone-Schmalz darauf, gerade als Deutsche »die Verbrechen in Gaza« kritisieren zu dürfen. Zugeschaltet war der ehemalige Pink-Floyd-Musiker Roger Waters, der für seine vehemente Israel-Kritik bekannt ist. Neben Wagenknecht verurteilten auch andere Redner*innen die Massaker der Hamas. Doch auf der Bühne und im Publikum waren nur Parolen zu erkennen, die »Israel« anprangerten.
Dagegen protestierte eine kleine Gruppe in der Nähe der Kundgebung. »Es gibt kein Recht auf Hamas-Propaganda«, skandieren die etwa 30 Teilnehmer*innen. Sie schwenkten Israel-Fahnen und hielten Fotos israelischer Geiseln hoch, die noch immer in der Gewalt der Hamas sind. Fast alle gehen auf dem Weg zur Kundgebung auf der anderen Seite des Brandenburger Tors schweigend daran vorbei. Drei Stunden haben sich die Gegendemonstrant*innen vor dem Holocaust-Denkmal postiert, und es kommt am Ende kurz zur verbalen Konfrontation mit einigen Kundgebungsteilnehmer*innen, die propalästinensische Parolen rufen.
Martin T. kann die Kritik der Menschen auf der Gegenkundgebung teilweise verstehen. »Die Reden auf der Kundgebung waren seltsam unpolitisch. Es wurde abstrakt von Frieden in der Welt gesprochen, aber nicht von den politischen Verhältnissen, die für Kriege verantwortlich sind«, sagt er im Gespräch mit »nd«. Er will am 27. September erneut am Brandenburger Tor für ein Ende des Krieges im Nahen Osten demonstrieren. Zu dieser Kundgebung ruft neben zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und bekannten Bands auch Die Linke auf.
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