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Chemnitz: AfD bereichert sich durch Spaltung
Zwist in Stadtratsfraktion sorgt für Durcheinander. Andere Fraktionen beklagen finanzielle Einbußen
Immerhin: Der Chemnitzer Stadtrat arbeitet wieder. Nach einer wochenlangen Hängepartie besetzte das Stadtparlament in einer Sondersitzung am Montag seine Ausschüsse sowie verschiedene Bei- und Aufsichtsräte neu. Die Chaostage, die mit einer Spaltung der 15-köpfigen AfD-Fraktion Anfang August begonnen hatten, sind beendet. Die rechtsextreme Partei wird jetzt von zwei Gruppierungen vertreten: der nur noch drei Mitglieder zählenden »AfD-Stadtratsfraktion« und der neuen »AfD-Ratsfraktion Chemnitz« mit zwölf Abgeordneten.
Die Trennung resultiert aus einem internen Zwist in der Chemnitzer AfD, die bei der Kommunalwahl 2024 mit 24,3 Prozent stärkste Kraft geworden war. In dem Konflikt stehen sich Kreischef Nico Köhler und Ratsfraktionschef Volker Dringenberg gegenüber. Ersterer erhob bei einem Parteitag gegenüber anderen Mitgliedern der Ratsfraktion den Vorwurf der Vorteilsnahme im Amt. Dabei geht es um vergünstigte Stellplätze in einem Parkhaus. Eine Fraktionsmehrheit beschloss daraufhin zweimal den Ausschluss Köhlers, scheiterte aber jeweils vor Gericht. Daraufhin gründeten zwölf Räte eine neue Fraktion.
Die Folgen für die Ratsarbeit blieben lange unklar, weshalb dessen Sommerpause erheblich verlängert wurde. Zunächst gab es Überlegungen, die neue Fraktion nicht anzuerkennen. Es gab Zweifel, ob es zulässig wäre, im Stadtrat zwei Gruppierungen zu dulden, die sich »inhaltlich und politisch gleichen«, wie das Rathaus formulierte. Allerdings gibt es dafür Präzedenzfälle in Sachsens Kommunalpolitik, etwa die Spaltung der Linksfraktion im Stadtrat Dresden nach der Woba-Privatisierung 2007. Als sich dann herausstellte, dass eine der drei Abgeordneten der »alten« AfD-Fraktion schon vor Wochen aus der Partei ausgetreten war, sah Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) diese als »erloschen« an, weil die Mindestzahl von drei Mitgliedern nicht mehr gegeben sei. Dieser Interpretation widersprach aber das Verwaltungsgericht. Schließlich wurden beide AfD-Vertretungen anerkannt.
»Sie bereichern sich auf Kosten aller anderen, legen die Stadtratsarbeit lahm und riskieren eine dicke Lippe.«
Susanne Schaper Linksfraktionschefin
Zunächst sah es so aus, als würde die AfD in Folge der Spaltung sogar noch an politischem Gewicht gewinnen. In den Fachausschüssen, die alle Entscheidungen im Stadtrat vorbereiten, stellte die AfD bisher drei Mitglieder. Künftig kann die neue Fraktion gemäß ihrer Stärke ebenfalls drei Mitglieder entsenden, die alte ein weiteres. Der Stadtrat linderte diesen Effekt, indem er die Vergrößerung der Ausschüsse von 13 auf 15 Abgeordnete beschloss. Damit entgeht die SPD dem drohenden Verlust eines Sitzes, die CDU erhält einen dazu, und der Einfluss der AfD bleibt annähernd gleich.
Ausgerechnet Nico Köhler als Chef einer der nunmehr zwei AfD-Fraktionen kritisierte das und merkte an, der Rat solle »sparsam mit dem Haushalt umgehen«. Das trug ihm eine scharfe Replik von Linksfraktionschefin Susi Schaper ein, die der AfD vorwarf: »Sie bereichern sich auf Kosten aller anderen, legen die Stadtratsarbeit lahm und riskieren eine dicke Lippe.« Tatsächlich büßen durch deren Spaltung alle anderen Fraktionen Geld ein. Das für den Stadtrat vorgesehene Gesamtbudget von 708 000 Euro im Jahr muss nun auf acht statt sieben Fraktionen aufgeteilt werden. Auf beide AfD-Fraktionen entfallen in Summe 181 000 Euro, gut 37 000 Euro mehr als bisher. Die anderen Fraktionen müssen für das kommende Jahr mit Einbußen von je rund 6000 Euro rechnen, was vor allem die kleineren hart trifft. »Das hat Konsequenzen für die personelle Ausstattung«, sagte Sabine Brünler, Geschäftsführerin der fünfköpfigen Linksfraktion, und fügte an: »Das sehen wir nicht ein.« Man hoffe auf Zugeständnisse der Verwaltung. Anderenfalls könnte die Kommunalaufsicht angerufen werden, oder das von der AfD ausgelöste Chaos im Chemnitzer Stadtrat beschäftigt ein weiteres Mal die Gerichte.
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