• Kultur
  • TV-Sendung »Klar« im NDR

Julia Ruhs geht wieder steil

Ein echter Aufreger für die CDU: Julia Ruhs darf nicht mehr für den NDR moderieren

Die Journalistin Julia Ruhs bei einer Veranstaltung in der Hermann-Ehlers-Akademie
Die Journalistin Julia Ruhs bei einer Veranstaltung in der Hermann-Ehlers-Akademie

Die CDU steigt in den Kulturkampf ein. Es ist das alte Spiel der Rechten, öffentlich Unsinn zu erzählen und dann zu behaupten, man werde dabei zensiert. Bislang war das die bevorzugte Taktik der AfD. Nachdem der NDR am Donnerstag bekanntgab, die Journalistin Julia Ruhs nicht mehr die Sendung »Klar« moderieren zu lassen, schrien konservative Politiker auf. Diese Entscheidung sei »sehr problematisch« (Jens Spahn), ein »extrem schlechtes Signal« (Daniel Günther), und Carsten Linnemann beklagte einen »neuen Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland« und forderte Konsequenzen – beispielsweise könnte man die Rundfunkgebühren einfrieren, »damit endlich Druck entsteht, damit Reformen passieren.«

Wenn die Konservativen »Reformen« verlangen, wird es in der Regel schlimmer. Es ist auch hier eine Verdrehung der Tatsachen. Nachdem rund 250 Mitarbeitende des NDR sich in einem internen Protestbrief über Ruhs beschwert hatten, weil sie »eine Reihe von Grundsätzen unserer journalistischen Arbeit« verletzt habe, wollte sie der NDR nicht mehr als Moderatorin, der BR hingegen schon – dort macht sie weiter, das ist das föderale System.

Beim BR war die 31-jährige Ruhs, ehemalige Stipendiatin für journalistische Nachwuchsförderung der Konrad Adenauer Stiftung, »in den letzten zwei Jahren steil und geschmeidig hinein in die Marktlücke ›konservative, junge Frau im öffentlich-rechtlichen Rundfunk‹« gerutscht, wie die »Zeit« schrieb. Allerdings wirkte sie persönlich relativ ausstrahlungslos, wenn sie der »Spiegel« zum Porträt besuchte.

Aber die Kritiker sollen ja die Dummen sein. So moderierte sie drei Sendungen von »Klar« mit den Schwerpunkten Migration, Landwirtschaft und Corona in sehr reißerischer Art und behauptete, auf diese Weise »eine verlorene Zielgruppe zurückzugewinnen«. Ähnlich argumentiert die CDU, wenn sie sich politisch der AfD annähert, um sie zu schwächen.

Ruhs nennt ihre politische Position »Mitte-rechts« und betrachtet sich als Opfer von »Intrigen« beim NDR: »Für die fängt die Rechtsradikalität wahrscheinlich schon an, wenn man beispielsweise sagt, man findet Positionen von Friedrich Merz gut«, sagte sie dem Podcast »Table Media«. Der ganze Vorgang dürfte Ruhs bei der Vermarktung ihres gerade erschienenen ersten Buchs gut in den Kram passen. Es heißt »Links-grüne Meinungsmacht« und soll vor der »Spaltung unseres Landes« warnen, in dem angeblich linke Moral-Manipulateure das Sagen haben. Komisch nur, dass die Reichen trotzdem immer reicher werden.

Dass die Medien in linker Hand seien, ist konservative Uralt-Propaganda seit Helmut Kohl. Und selbst wenn man unter »links« nur eine gemäßigte, sozialdemokratische Form des Verlangens von besseren Bildungschancen und mehr betrieblicher Mitbestimmung verstehen möchte, stimmte es trotzdem noch nie. Denn davon wurde seit Willy Brandt, dem ersten und letzten linken Bundeskanzler, kaum etwas durchgesetzt.

Es gibt gegenwärtig in der Bundesrepublik ein paar fortschrittliche Podcasts und drei linke Tageszeitungen, die sich mit kleiner Auflage und Ach und Krach über Wasser halten (»nd«, »Taz« und »JW«) – das als »linke Meinungsmacht« zu bezeichnen, ist ein schlechter Witz. Donald Trump mag so etwas, die AfD auch. Und die CDU macht wieder richtig mit.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.