Freie Universität verliert gegen Verdi-Beschäftigte

Arbeitsgericht erklärt Abmahnungen gegen gewerk­schaftlich Aktive in Berlin für unrechtmäßig

Beschäftigte und Verdi-Mitglieder der Freien Universität wurden laut Arbeitsgericht zu Unrecht verurteilt.
Beschäftigte und Verdi-Mitglieder der Freien Universität wurden laut Arbeitsgericht zu Unrecht verurteilt.

Das Berliner Arbeitsgericht hat die Freie Universität (FU) Berlin verurteilt, die Abmahnungen gegen Mitglieder der Verdi-Betriebsgruppe an der Universität zu löschen. Im Januar 2025 hatte das Arbeitsgericht eine weitere Abmahnung noch für rechtmäßig erklärt. Die Entscheidung wurde bundesweit als massive Einschränkung der gewerkschaftlichen Rechte kritisiert. In einem Berufungsverfahren hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auch diese Abmahnung als unrechtmäßig kritisiert.

Anlass für die Abmahnungen war ein Aufruf der Verdi-Betriebsgruppe an der FU vom Februar 2024. Damals gingen in ganz Deutschland Hunderttausende gegen einen weiteren gesellschaftlichen Rechtsruck auf die Straße, nachdem ein Treffen zwischen Mitgliedern von AfD, CDU, Werteunion und Vertreter*innen der Wirtschaft in einer Villa in Potsdam bekannt geworden war.

Am 3. Februar 2024 hatte sich die Verdi-Betriebsgruppe der Freien Universität mit einem eigenen Aufruf an den Protesten beteiligt. Die Gewerkschafter*innen kritisierten dort nicht nur die AfD. In einem Passus des Aufrufs warfen die Gewerkschafter*innen der FU-Verwaltung vor, durch Nichteinhaltung von Tarifverträgen und die Bekämpfung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung zur Rechtsverschiebung beigetragen zu haben.

Das FU-Präsidium reagierte darauf mit der Abmahnung von drei aktiven Verdi-Gewerkschaftern. Die Maßnahme wurde in einem Verfahren vom Berliner Arbeitsgericht in erster Instanz bestätigt. Es klassifizierte die inkriminierte Passage als eine »vom Schutz der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz nicht gedeckte Schmähkritik«. Diese Entscheidung wurde im Mai 2025 in der zweiten Instanz zurückgewiesen. Im Juli wurden dann in Parallelverfahren auch die anderen Abmahnungen vom Berliner Arbeitsgericht als unrechtmäßig beurteilt.

Jana Seppelt, beim Berlin-Brandenburger Landesbezirk von Verdi Fachbereichsleiterin für Wissenschaft, begrüßt das: »Mit dem Urteil ist klargestellt, dass die Meinungsfreiheit für Gewerkschaftsmitglieder auch an der FU Berlin gilt. Dem Präsidium mag die Kritik nicht passen. Darauf mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu reagieren, war jedoch von vornherein völlig deplatziert.« Lukas Schmolzi, Mitglied der Verdi-Betriebsgruppe an der FU, weiß die Unterstützung der Gewerkschaft zu schätzen. »Verdi hat unmittelbar nach Aussprache der Abmahnungen erklärt, dass sie uns bei diesen Rechtsstreitigkeiten über den Verdi-Rechtsschutz durch alle Instanzen unterstützt«, sagt er zu »nd«.

Rechtsanwalt Jens Usebach ging in einem Beitrag in einem juristischen Blog genauer auf eine Passage der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts ein, in der die Kritik der Verdi-Betriebsgruppe bestätigt wird. Im Beitrag heißt es: »Entscheidend war dabei, dass die inkriminierten Aussagen zum großen Teil auf wahren Tatsachen beruhten: So hatte die Universität tatsächlich Reinigungsarbeiten an externe Firmen vergeben, wobei diese unter schlechtere Tarifbedingungen fielen. Zudem hatte die FU Berlin tarifliche Zuschläge teilweise nicht oder nur verspätet gezahlt und in einem gerichtlichen Verfahren sogar Verstöße gegen Mitbestimmungsrechte des Personalrats eingeräumt. Diese tatsächlichen Kernpunkte belegten also, dass die Kritik nicht aus der Luft gegriffen war, sondern auf realen Missständen basierte.«

Doch die juristische Auseinandersetzung um den Aufruf der Verdi-Betriebsgruppe ist damit noch nicht abgeschlossen. Die FU will weiter gegen die Entscheidungen der Gerichte vorgehen. »Es ist unerklärlich, dass die FU die Urteile nicht akzeptiert und weiter viel Geld für die juristische Auseinandersetzung ausgibt, während überall mit Sparzwängen argumentiert wird«, moniert ein Gewerkschafter, der nicht namentlich erwähnt werden will.

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