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Säureattacken aus dem Magen
Eine Reflux-Krankheit könnte Ursache für Sodbrennen sein, aber die Diagnose ist nicht ganz einfach
Saures Aufstoßen, brennende Schmerzen hinter dem Brustbein, ein schlechter Geschmack im Mund: Sodbrennen und andere Reflux-Beschwerden sind weitverbreitet. Schätzungen zufolge hat jeder dritte Bundesbürger gelegentlich Probleme dieser Art, jeder vierte sogar häufig. »Die Zahlen nehmen weltweit zu«, sagt der Gastroenterologe Joachim Labenz vom Medizinischen Zentrum am Siegerlandflughafen (Nordrhein-Westfalen). Einer der Hauptgründe dafür ist, dass immer mehr Menschen übergewichtig sind. Sodbrennen wird oft mit Medikamenten bekämpft, obwohl sich auch mit einfachen Maßnahmen viel erreichen lässt. Lebensgewohnheiten, Atemtechnik und Schlafposition spielen dabei eine große Rolle.
Nach einem üppigen Essen aufzustoßen, ist normal. Bedenklich wird es erst, wenn Sodbrennen regelmäßig auftritt und die Lebensqualität beeinträchtigt. Oft steckt eine Reflux-Krankheit hinter den Beschwerden: Dabei schließt der Muskel an der unteren Speiseröhre nicht richtig, sodass saurer Mageninhalt aufsteigen kann. Das kann auf Dauer weitere Probleme nach sich ziehen, etwa Zahnschäden oder eine Entzündung der Speiseröhre, aus der sich eine Vorstufe von Krebs entwickeln kann (Barrett-Ösophagus). Sie erhöht das Risiko für Speiseröhren-Krebs und muss daher regelmäßig kontrolliert werden. »Insgesamt betrachtet ist das Krebsrisiko aber gering«, erklärt der Gastroenterologe Wolfgang Fischbach, Vorsitzender der Gastro-Liga. Diese Organisation von Medizinern und Laien hat das Ziel, Krankheiten des Verdauungssystems zu verhindern bzw. hier die Versorgung zu verbessern.
»Die Hälfte der Menschen, die Protonenpumpenhemmer schluckt, braucht sie nicht.«
Joachim Labenz Gastroenterologe
Eine Reflux-Krankheit festzustellen, ist nicht immer einfach. Die Symptome sind nämlich unspezifisch: »Sodbrennen kann auch ganz andere Gründe haben«, sagt Labenz, einer der Autoren der ärztlichen Leitlinie zum Thema Reflux-Krankheit. Wird bei einem Patienten mit entsprechenden Beschwerden per Magenspiegelung eine Speiseröhrenentzündung festgestellt, ist die Diagnose allerdings naheliegend. Liegt keine Entzündung vor, ist die Krankheit noch lange nicht ausgeschlossen – in dem Fall müssen weitere Tests folgen.
Da Reflux so häufig ist, verschreiben Ärzte bei typischen Symptomen oft zunächst probehalber Protonenpumpenhemmer (PPI), weil diese die Produktion von Magensäure effektiv bremsen. Gemeint sind damit Medikamente wie Omeprazol oder Pantoprazol, die umgangssprachlich auch »Magenschutz« genannt werden.
»Das ist ein rein pragmatisches Vorgehen, keine Diagnostik«, sagt Labenz. Sprechen Patienten gut darauf an, ist eine Reflux-Krankheit nicht bewiesen, da die Medikamente auch bei anderen Problemen helfen. Umgekehrt ist Reflux auch nicht ausgeschlossen, wenn PPI nicht wirken. Oft sind Medikamente aber gar nicht nötig. So sagt Wolfgang Fischbach: »Viele Patienten haben leichtere Beschwerden, die nicht gleich eine solche Therapie erforderlich machen. Da reichen häufig schon Allgemeinmaßnahmen wie eine Gewichtsabnahme und Ernährungsumstellung.«
Protonenpumpenhemmer gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten weltweit. In Deutschland wurden 2022 laut Arzneiverordnungs-Report 3,8 Milliarden Tagesdosen verordnet. Inzwischen sind die Mittel wegen möglicher Nebenwirkungen in Verruf geraten. So gibt es Beobachtungsstudien, in denen eine Langzeiteinnahme mit schweren Krankheiten in Verbindung gebracht wurde, darunter Osteoporose, Nierenprobleme, Herzkreislauf-Krankheiten und Demenz.
Experten wie Fischbach und Labenz halten die Mittel aber für äußerst sicher. »Es gibt keine überzeugenden Belege für diese Behauptungen«, sagt Labenz. »Wissenschaftlich ist das nicht haltbar.« Ähnlich positioniert sich die US-Fachgesellschaft American Gastroenterological Association. Allerdings haben die Mittel erwiesenermaßen potenzielle Nebenwirkungen, können etwa langfristig das Risiko für Magen-Darm-Infekte erhöhen und das Mikrobiom verändern. Deshalb sollten sie nur dann verschrieben werden, wenn es nötig ist, betont Labenz und kritisiert die oft »undifferenzierte, laxe Verordnung« von Protonenpumpenhemmern.
»Die Hälfte der Menschen, die PPI schluckt, braucht sie nicht«, sagt der Gastroenterologe. Vielen würden wegen »irgendwelcher Beschwerden im Magen-Darm-Bereich« die Medikamente verordnet, oft auch hoch dosiert und langfristig. »Die Leute gehen in die Praxis und holen sich immer wieder ein Rezept, ohne dass das jemand hinterfragt«, so Labenz.
In vielen Fällen könnte eine Änderung der Gewohnheiten Medikamente ersetzen. »Die wichtigste Allgemeinmaßnahme ist eine Gewichtsabnahme bei Übergewicht«, betont Wolfgang Fischbach. Das Gewicht erhöht nämlich den Druck im Bauchraum, sodass es leichter zu Reflux kommt. Bei nächtlichen Reflux-Beschwerden hilft es, das Kopfende des Bettes höher zu stellen und möglichst auf der linken Seite zu schlafen. Da sich der Mageneingang rechts befindet, kommt es in dieser Position nämlich seltener zum Rückfluss in die Speiseröhre.
Abgesehen davon kann ein Zwerchfell-Training dazu beitragen, den Verschluss zwischen Magen und Speiseröhre zu stärken. So sagt Joachim Labenz: »Es gibt gute Daten, dass ein Training dieser Region effektiv ist.« Deshalb sind gezielte Atemübungen oder auch ganz einfach Singen – ob im Chor, unter der Dusche oder im Auto – empfehlenswert.
Kontraproduktiv sind dagegen Stress, Rauchen und spätabendliche Mahlzeiten. Auch das, was man isst, spielt eine große Rolle – grundsätzlich wird mediterrane Ernährung empfohlen. Eine klar definierte »Anti-Reflux-Diät« gibt es aber nicht, da es ganz unterschiedlich ist, welche Lebensmittel Probleme bereiten.
Deshalb ist es sinnvoll, in einem Ernährungstagebuch zu notieren, was man gegessen hat und wann man Beschwerden hatte. Ebenfalls hilfreich und frei von Nebenwirkungen sind oft Heilerde und hydrogencarbonatreiches Heilwasser – beides trägt dazu bei, die Magensäure zu neutralisieren. »Wer nachts öfter mit Sodbrennen aufwacht, sollte sich ein Glas Wasser auf den Nachttisch stellen«, sagt Fischbach. »Einen Schluck zu trinken, ist auch schon eine große Hilfe.«
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