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Neue Schulden für alte Schulden
Eine GmbH besorgt das Geld, das Finanzminister Lars Klingbeil 2026 ausgeben will
Der Entwurf für den Bundeshaushalt 2026 sieht Ausgaben von 520,48 Milliarden Euro vor. Diese Ausgaben sind nur teilweise durch Einnahmen aus Steuern und Gebühren gedeckt. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) plant daher, im kommenden Jahr Kredite bis zur Höhe von 89,87 Milliarden Euro aufzunehmen. Zuständig für diesen Job ist die »Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH« in Frankfurt am Main.
Tammo Diemer, Geschäftsführer der Finanzagentur, zeigte sich kürzlich während einer Pressekonferenz optimistisch, auch die Herausforderungen des kommenden Jahres wieder meistern zu können. Und die sind weit größer, als die vergleichsweise überschaubaren Neuschulden über knapp 90 Milliarden Euro vermuten lassen. Dazu trägt die Lockerung der Schuldenbremse bei. Erstens fallen Verteidigungsausgaben nur noch mit einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) (geplant sind bis zu fünf Prozent) unter die Schuldenregel. Zweitens gilt es, über zwölf Jahre ein »Sondervermögen«, also Extrakredite von 500 Milliarden Euro für Investitionen und Klima zu finanzieren.
Nur mittelbar wird die Finanzagentur von einer dritten Änderung der Schuldenregeln berührt. Die Länder dürfen sich wie der Bund nun jedes Jahr mit 0,35 Prozent des BIP neu verschulden. Was den »Markt« beeindrucken dürfte, also Zinssätze erhöht.
Obendrauf kommt der weit höhere Berg an Altschulden, den Tammo Diemer und sein kleines Team »revolvierend« finanzieren müssen: Zinsen müssen gezahlt und wenn alte Kreditverträge auslaufen, müssen sie getilgt werden. Zu alldem nimmt die Finanzagentur alle paar Tage neue milliardenschwere Kredite auf, indem sie Wertpapiere ausgibt. Das ganze Arbeitspensum haben die nur etwa 300 Beschäftigten in der Finanzagentur zu bewältigen.
Jahrzehntelang waren die Bundeswertpapierverwaltung in Bad Homburg und die Bundesbank in Frankfurt am Main mit dem staatlichen Schuldenmanagement der Bundesrepublik beschäftigt. Dies änderte die erste rot-grüne Regierung. Für das operative Geschäft wurde im Sommer 2001 die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH zuständig. Alleiniger Eigentümer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und beschränkter Publizitätspflicht ist der Bund. Dabei ist die Finanzagentur eine normale Kapitalgesellschaft und regelt ihr Verhältnis zum Alleingesellschafter über ganz gewöhnliche Vertragsbeziehungen, wie sie in der privaten Wirtschaft üblich sind. Doch nicht allein die Konzentration in einer Hand sollte dem Bund helfen, immer genügend Geld in seiner Kasse zu haben und auf seine Schulden weniger Zinsen zu zahlen. Sondern auch die Flexibilität am Markt sollte zulegen, wie es die Regierung Schröder/Fischer von einem privaten Finanzdienstleister erwartete.
Ob diese Ziele wirklich erreicht wurden, bleibt unter Beobachtern umstritten. Klassische Instrumente wie Bundesschatzbriefe, mit denen die »Vermögensbildung der Bevölkerung« gefördert werden sollte, wurden vom Markt genommen; neue Produkte wie »grüne« Green-Bonds oder Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit sind hinzugekommen. Unmittelbarer Abnehmer der Wertpapiere des Bundes ist die Bietergruppe Bundesemissionen. Der so gewährte »Kredit« fließt an das Bundesfinanzministerium in Berlin.
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Der Bietergruppe Bundesemissionen gehören zurzeit 33 Kreditinstitute an. Darunter befinden sich Größen wie Goldman Sachs und die schweizerische UBS, die Deutsche Bank, aber auch Spitzeninstitute der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Diese Institute »zeichnen« mehr oder weniger große Anteile der jeweiligen Emission und veräußern die so erworbenen Bundeswertpapiere wiederum an ihre jeweilige Kundschaft.
Um die neuen Pakete der Bundesregierung für Infrastruktur und Verteidigung zu finanzieren, stockte die Agentur ihre Emissionsplanung in diesen Tagen auf. Für das vierte Quartal wird gegenüber der im Dezember veröffentlichten Jahresvorausschau die Planung im Volumen um insgesamt 15 Milliarden Euro erhöht. Um nicht unnötig die Preise – also die Zinssätze, die letztlich der Bund für seine Kredite aufbringen muss – in die Höhe zu treiben, lässt Agentur-Chef Diemer die ohnehin geplanten Emissionen jeweils ein wenig aufstocken.
Insgesamt wird die Finanzagentur in diesem Jahr etwa 425 Milliarden Euro erlöst haben. Für 2026 werden die Erwartungen erst im Dezember veröffentlicht. Die Summe, welche die Finanzagentur im kommenden Jahr an Klingbeils Ministerium überweist, wird noch einmal deutlich höher liegen. Darauf deutet bereits die veröffentlichte mittelfristige Finanzplanung des Bundes hin. Die halbe Billion Euro ist in Sichtweite.
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