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Grüne uneins über Pro-Palästina-Demonstration
Bundestagsabgeordneter Kassem Taher Saleh spricht sich für Teilnahme aus
Kassem Taher Saleh, Bundestagsabgeordneter der Grünen, hat sich entschieden: Am Samstag wird der 32-jährige Bauingenieur aus Dresden auf die Großdemonstration »Zusammen für Gaza« gehen – und fordert seine Partei auf, es ihm gleichzutun. Unter besagtem Titel ruft ein Bündnis aus Einzelpersonen und Organisationen zu Protesten gegen den Genozid in Gaza auf – später soll die Demonstration in eine Kundgebung unter dem Motto »All Eyes on Gaza« übergehen, unterstützt von Amnesty International und Medico International. Der Aufruf verurteilt »alle Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, unabhängig davon, ob sie von israelischen oder palästinensischen Akteur*innen begangen werden«, richtet seine Hauptkritik jedoch an die israelische Regierung und ihre Unterstützer.
Während sich Die Linke an den Verhandlungen über die Protestform beteiligte und prominente Parteivertreterinnen wie Ines Schwerdtner und Özlem Demirel den Aufruf unterzeichnet haben, herrscht bei den Grünen auffällige Zurückhaltung. Kein Mitglied des Bundesvorstands und keine Spitzenpolitiker*in der Partei trägt das Bündnis mit.
Saleh äußert sich in einem Statement, das zuerst dem »Spiegel« zugesandt wurde und auch dem »nd« vorliegt, kritisch gegenüber seiner Partei. Der Protest sei von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis getragen: »Viele Menschen, die vor zwei Wochen bewusst zu Hause blieben, um sich nicht von Frau Wagenknecht instrumentalisieren zu lassen, stehen jetzt für einen demokratischen Protest auf, und diesen Protest unterstütze ich«, so Saleh.
Saleh fordert die Anerkennung Palästinas als Staat; seine Position ist innerhalb der Grünen auffällig klar. Gegenüber dem »nd« betont er den an Israel gerichteten Vorwurf des Genozids seitens der unabhängigen Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats im Gazastreifen. So erklärt er im Statement weiter: »Ich bin Bündnis 90/Die Grünen beigetreten, weil ich auf der Seite der Schwachen stehen will.«
Er betont, dass ihn Besuche in Buchenwald geprägt hätten, dass für ihn der Kampf gegen Antisemitismus selbstverständlich sei, doch: »Kritik an der israelischen Regierungspolitik ist kein Antisemitismus – im Gegenteil: Wer Kritik unterdrückt, nährt Verschwörungstheorien.« Gerade deshalb, sagt er, müsse seine Partei das Unrecht in Gaza klar benennen. »Auch bei uns gibt es die Tendenz, zur Lage in Gaza zu schweigen. Wir dürfen nicht aufhören, Unrecht als Unrecht zu benennen – sonst verspielen wir Glaubwürdigkeit, die wir über Jahre nicht zurückgewinnen können.«
Damit rührt Saleh an eine offene Wunde der Grünen. In der Ampel-Regierung standen die Grünen klar aufseiten Israels, während Die Linke und zivilgesellschaftliche Organisationen den Krieg in Gaza offen als Völkerrechtsbruch kritisierten. Die Partei hat nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Bundestagswahl eigens eine interne Nahost-Kommission eingerichtet, da die Position der Grünen während der Ampel-Koalition zu einer Abwanderung von Wähler*innen gen Linke geführt haben soll.
Saleh, der als Zehnjähriger mit seiner Familie aus dem Irak nach Deutschland geflohen ist, kritisiert außerdem Deutschlands Blockadehaltung gegenüber Initiativen zu diesem Konflikt in der EU, die die »Stimme der Vernunft sein und für eine nachhaltige Lösung eintreten« könnten. »Diese Kritik gilt auch meiner eigenen Partei.«
Am Samstag wird Saleh also auf die Straße stehen – ohne den Rückhalt seiner Parteispitze. Zu welchem Ergebnis letztlich die interne Nahost-Kommission der Grünen kommen wird, an der Saleh beteiligt ist, bleibt indes offen. Eine Anfrage des »nd« bei der Grünen-Bundeszentrale um Stellungnahme zu Salehs Äußerungen blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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