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Wehrpflicht: Die neue Klassenarmee
Patrick Lempges über die Suche nach Armee-Nachwuchs
Die Bundeswehr sei »viel besser als der Ruf«, versichert Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Man könnte auch sagen: Die Bundeswehr – besser als man denkt! Der Kompromiss zur Wehrpflicht ist beschlossen – diese soll weiterhin hauptsächlich auf Freiwilligkeit basieren, und weil die Ressource Junginfanterist knapp ist, wird die Werbetrommel gerührt. So auch der Wehrbeauftragte Henning Otte: Die Musterung solle als »kostenfreier staatlicher Fitnesstest« verstanden werden, »ein Beitrag zur öffentlichen Gesundheitsfürsorge«. Sehr zuvorkommend. Danke vielmals!
Wenn dies und das lauwarme Vaterlands-Pathos nicht fruchten, wedelt der Herr Unteroffizier Karriereberater mit 2600 Euro brutto im Monat. Dazu Führerscheinzuschuss für Pkw oder Lkw, IT-Lehrgänge und allerlei Ausbildungsangebote. Prinzipiell sind höhere Löhne ja unterstützenswert, doch die Frage ist hier: Für wen ist das attraktiv? Einen 18-Jährigen aus gut situiertem Elternhaus, der ohnehin studieren wird und dessen Führerschein längst bezahlt ist, lockt das Angebot kaum. Für einen Jugendlichen aus einer Familie, in der 2600 Euro brutto ein gutes Einkommen sind und in der ein Führerschein unbezahlbar bleibt, sieht die Rechnung schon ganz anders aus.
Die Freiwilligkeit, auf die die SPD pocht, wird demnach zur sozialen Sortiermaschine: Nicht Überzeugung oder gar Vaterlandsliebe entscheiden, wer zur Bundeswehr geht, sondern die ökonomische Lage des Elternhauses. Man kann das eine Berufsarmee nennen. Ehrlicher wäre: eine Klassenarmee.
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