143 Stichwahlen ohne die AfD

Nur zwei Oberbürgermeister wurden in der ersten Runde gewählt

In Köln treten Grüne und SPD gegeneinander an. Auch grün gegen schwarz gibt es bei den Stichwahlen oft. Die häufigste Konstellation bleibt aber CDU gegen SPD.
In Köln treten Grüne und SPD gegeneinander an. Auch grün gegen schwarz gibt es bei den Stichwahlen oft. Die häufigste Konstellation bleibt aber CDU gegen SPD.

Mit Frank Dudda und Marc Herter sind es ausgerechnet zwei Sozialdemokraten, die die Stichwahlen bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag entspannt verfolgen können. Die Oberbürgermeister von Herne und Hamm, sind die einzigen Großstadtverwaltungschefs, die sich keiner Stichwahl stellen müssen. In 147 Städten und Kreisen müssen hingegen noch neue Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte gewählt werden.

Viel Aufmerksamkeit gibt es für die vier Städte, in denen es AfD-Politiker in die zweite Runde schafften. Dabei herrscht auch in den 143 Stichwahlen ohne die Blauen viel Spannung. Als große Verlierer der Kommunalwahlen gelten die Grünen, da sie landesweit 6,5 Prozent an Stimmenanteilen verloren. Nach dem kommenden Sonntag könnten sie aber die Oberbürgermeisterin von Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt stellen: In Köln tritt die Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz gegen den Sozialdemokraten Torsten Burmester an. Aymaz erhielt in Runde eins 28 Prozent der Stimmen, Burmester 21 Prozent.

Zur Favoritin macht dies Aymaz nicht. CDU und FDP haben sich in den vergangenen Tagen entschieden, den SPD-Kandidaten zu unterstützen. Berivan Aymaz kann sich unter anderem auf die Unterstützung der Linken verlassen. Zentrale Themen im Stichwahlkampf sind der Mangel an Sozialwohnungen, die Frage, ob die Straßenbahn auf der zentralen Ost-West-Achse oberirdisch oder unterirdisch fahren soll, sowie der Streit, ob sich der Ausbau des Trainingsgeländes des 1. FC Köln mit dem Klimaschutz im städtischen Grüngürtel verträgt. Burmester ist für den FC, eine Tunnellösung und die Beibehaltung der gegenwärtigen Quote an Sozialwohnungen. Aymaz will mehr günstige Wohnungen, den oberirdischen Bahnausbau und ist gegen den Ausbau des Trainingsgeländes.

Während sich Aymaz und Burmester in Köln um die Nachfolge der ausscheidenden, parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker, duellieren, möchte Katja Dörner in Bonn ihr Amt verteidigen. Die Grünen-Politikerin wurde 2020 gewählt und hat eine progressive Stadtkoalition mit SPD, Linken und Volt geführt. Ihr Steckenpferd in den vergangenen Jahren, der fahrradfreundliche Ausbau der alten Hauptstadt. Das hat zu einigen Verstimmungen geführt, in der ersten Wahlrunde lag Dörner mit 33 Prozent hinter ihrem Herausforderer Guido Déus von der CDU. Der interpretiert sein Ergebnis als den Wählerwillen zum »Politikwechsel« und verspricht vor allem die Verkehrsprojekte von Dörner rückabzuwickeln. Eine klare Empfehlung für Dörner gibt die Bonner Linke ab. Die lokale SPD will niemanden empfehlen und ist erzürnt darüber, dass Parteigranden um den langjährigen Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber zur Wahl Dörners aufrufen.

Grün-schwarze Duelle gibt es neben Bonn auch in Aachen, Düsseldorf und Münster. Die häufigste Konstellation am kommenden Sonntag ist aber die klassische, eine Stichwahl zwischen SPD und CDU. Dieses Duell gibt es unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. In Wuppertal kämpfen beide Parteien um die Nachfolge des Grünen Oberbürgermeisters. In Essen geht der CDU-Amtsinhaber als klarer Favorit ins Rennen gegen seine sozialdemokratische Herausforderin, und in Dortmund muss Oberbürgermeister Thomas Westphal sich nicht nur mit seinem CDU-Kontrahenten Alexander Kalouti auseinandersetzen. Westphal hatte sich am Wahlabend erfreut gezeigt, den »Geldadel aus dem Süden« besiegt zu haben. Gemeint war der parteifreie, wirtschaftsnahe Kandidat Martin Cremer, der im Wahlkampf mit Sprüchen gegen Drogensüchtige und Obdachlose durchaus sozialdarwinistische Züge gezeigt hatte und allgemein kein gutes Haar an Dortmund ließ.

Die Unterstützer Cremers fühlten sich nach Westphals »Geldadel«-Spruch diskriminiert. CDU-Kandidat Kalouti sprang ihnen bei und warf dem Sozialdemokraten vor, die Gesellschaft zu spalten. Der parteilose Cremer und ein AfD-Kandidat hatten in der ersten Runde der Kommunalwahlen fast 30 Prozent der Stimmen bekommen. Auf die zählt nun Alexander Kalouti.

Wer am Sonntag gewinnt, ist an vielen Orten tatsächlich noch offen und damit auch, wer sich wirklich als Sieger der Kommunalwahlen sehen darf. Die AfD wird es mindestens 143 Mal nicht sein.

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