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Moldau hält Sandus Kurs
Trotz Stimmenverlusten gewinnt die Regierungspartei die Wahl in der ehemaligen Sowjetrepublik
Maia Sandu kann ihren politischen Kurs fortsetzen. Bei der Parlamentswahl in Moldau erreichte ihre Partei der Aktion und Solidarität (PAS) nach Auszählung von über 99 Prozent der abgegebenen Stimmen 49,9 Prozent. Der Patriotische Block um die Ex-Präsidenten Igor Dodon und Vladimir Voronin sowie den früheren Premierminister Vasile Tarlev kam auf 24,3 Prozent. Das Wahlbündnis Alternative von Chisinaus Bürgermeister Ion Ceban erreichte mit acht Prozent den dritten Platz. Für eine Überraschung sorgte Unsere Partei, die mit einem nationalistischen Wahlprogramm in das Parlament einziehen wird.
Dass die PAS trotz Verlusten gegenüber 2021 weiter regieren kann, war vor der als »richtungsweisend« hochstilisierten Wahl nicht sicher. Umfragen kamen zu unterschiedlichsten Ergebnissen. Menschen, mit denen »nd« in Chisinau gesprochen hat, waren selbst am Wahltag noch unentschlossen. Viele zeigten sich desillusioniert von der Politik und warfen beiden großen politischen Lagern vor, sich selbst diskreditiert zu haben. Lediglich ein Marktverkäufer gab sich als überzeugter Regierungsanhänger zu erkennen: »Wir müssen das ordentlich machen und PAS wählen«, so der Mann.
Präsidentin Sandu überstrahlt die Wahl
In Moldau wähle man nicht die Parteien, sondern deren Anführer, sagt Student Stefan Manet zu »nd«. Zu diesem Schluss kommt auch Stela Untilă, Chefredakteurin des Nachrichtenportals Newsmaker. Bei Weitem nicht alle hätten die PAS gewählt, weil sie so »schön und klug« sei, sondern wegen Maia Sandu, die die Partei 2016 gegründet hatte, schreibt Untilă in ihrer Wahlanalyse.
Sandu hatte, obwohl sie gar nicht zur Wahl stand, den Wahlkampf an sich gerissen und den Urnengang zu einer Kampfabstimmung über die Ausrichtung Moldaus und ihre Zukunft gemacht. Politische Gegner diffamierte sie als »russlandfreundlich«, selbst wenn diese sich zur EU-Integration bekennen.
Vor der Wahl hatte Sandu Russland massive Einflussnahme im Wahlkampf vorgeworfen. Moldauische Behörden sprachen von russischem Stimmenkauf, Desinformation in sozialen Netzwerken und Cyberattacken. Moldauische Journalisten, die in entsprechenden Gruppen recherchiert hatten, bestätigten »nd«, dass Menschen Geld angeboten wurde, wenn sie »prorussisch« stimmen oder auf Demonstrationen gehen.
Sandus Manöber nicht immer fair
Aber auch Sandu habe durchaus »dreckig« gespielt, sagt Manet. Mehrere Parteien wurden im Laufe des Wahlkampfes, teilweise wenige Tage vor der Abstimmung verboten, weil sie Geld aus Russland genommen haben sollen. Manet verweist auch auf die Wahl der Diaspora. Während für die gut 300 000 Moldauer in Italien 75 Wahllokale eingerichtet wurden, waren es für die gut 200 000 in Russland lediglich zwei, beide in Moskau. Medienberichten zufolge fuhren viele mit dem Bus in die belarussische Hauptstadt Minsk. In Italien sollen unbestätigten Berichten zufolge die Wähler angehalten worden sein, für die PAS zu stimmen.
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Auch in Moldau selbst sollen Menschen von der Wahl abgehalten worden sein. So wurden alle Brücken über den Dnestr, der das Russland zugeneigte Transnistrien von Moldau trennt, am Wahltag gesperrt, angeblich wegen Bauarbeiten. Bei Bender kontrollierte die moldauische Polizei jedes Fahrzeug aus Transnistrien und sorgte damit für lange Staus. Normalerweise werden die Autos einfach durchgewunken. Zudem gab es in den drei Wahllokalen mehrere Bombendrohungen und damit zwischenzeitliche Schließungen. Einen Beweis, dass die Präsidentin dieses Chaos angeordnet hat, gibt es nicht. An einen Zufall glaubt Manet aber auch nicht. »Das ist ganz schön dreist«, sagt er. Von einer Demokratin würde man das nicht erwarten.
Alarmistische Taktik ist aufgegangen
Durch die Schikanen der Regierung seien 250 000 Menschen an der Stimmabgabe gehindert worden, sagte Igor Dodon am Montag bei einer Kundgebung vor dem Parlament. Wie schon bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr habe die Regierung in Moldau selbst die Wahl verloren und werde nur von der Diaspora getragen, so Dodon. Deswegen greife sie zu unlauteren Mitteln. Dodon kündigte an, Klagen bei der Wahlkommission einzureichen.
Alexei Tulbure, ehemaliger UN-Botschafter des Landes, sieht den allgemeinen Trend in Moldau bestätigt. »Die alarmistische Taktik ist aufgegangen. Insgesamt haben die Wähler das Verhaltensmuster der Präsidentschaftswahlen vom letzten Jahr wiederholt. Moldau bewegt sich weiter in Richtung EU.« Dabei steht die PAS in der Verantwortung zu liefern, meint Journalistin Untilă. Als alleinregierende Partei kann sie die Verantwortung für Fehlschläge nicht auf andere abwälzen. Und nach dann acht Jahren an der Macht muss die PAS spürbare Ergebnisse liefern. Das blieb sie für viele Menschen in Moldau in den vergangenen Jahren schuldig.
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