Washingtons Schuldenkrise

Das Staatsdefizit in den Vereinigten Staaten ist extrem hoch und wird laut Prognosen weiter stark steigen

Die US-Währung dominiert weiterhin die globalen Anleihenmärkte.
Die US-Währung dominiert weiterhin die globalen Anleihenmärkte.

Die Erfahrungen aus den bisherigen Shutdowns in den Vereinigten Staaten zeigen, dass diese die Wirtschaft dämpfen, aber nicht aus der Bahn werfen. Aus Sicht der Finanzmärkte ist es ohnehin viel wichtiger, dass eine Haushaltssperre den Schuldendienst nicht betrifft. Zins- und Rückzahlungen von US-Staatsanleihen sind gewährleistet, zumal die Verabschiedung des Haushalts und die Schuldengrenze nichts miteinander zu tun haben. Glücklicherweise, mag Präsident Donald Trump denken, denn wäre die Rückzahlung der »Treasury Bonds« gefährdet, würde eine Staatspleite drohen.

Der Kongress beschließt einerseits den Haushalt, also die Ermächtigung staatlicher Ausgaben für Bildung, Rüstung und die Gehälter der Staatsbediensteten, und andererseits auch noch eine Obergrenze für die bundesstaatlichen Schulden. Sachlich gehört beides zwar zusammen, denn aus den vom Kongress beschlossenen Ausgaben und Steuern ergibt sich letztlich die Notwendigkeit zur Finanzierung des Defizits über neue Kredite. »Eine nicht rechtzeitige Anhebung der Schuldengrenze hat vermutlich viel dramatischere Folgen als ein Shutdown«, schreiben die Volkswirte der Commerzbank in einer Analyse.

Die Schuldenquote der USA liegt derzeit bei rund 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und ist damit doppelt so hoch wie die in Deutschland. Unter den Ländern des globalen Nordens bedeutet dies Rang zwei, nur übertroffen von Japan. Ohne Gegenmaßnahmen wie etwa Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen könnten die USA in eine deutlich schnellere Schuldenspirale geraten als bislang allgemein angenommen. Eine Simulation der staatlichen KfW-Bank in Frankfurt/Main prognostiziert, dass die Schuldenquote in den nächsten zehn Jahren auf 150 oder gar 170 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung BIP anwachsen könnte. »Das Haushaltsdefizit der USA hat sich zu einem dauerhaften strukturellen Defizit entwickelt, das ohne gezielte Gegenmaßnahmen bestehen bleiben oder sich ausweiten wird«, warnen die KfW-Analysten.

Vorschläge, wie sie US-Präsident Donald Trump mit seinem »One Big Beautiful Bill Act« verfolgt – das Gesetz beinhaltet dauerhafte Steuersenkungen für Mittelklasse und Reiche –, dürften das strukturelle Defizit weiter vergrößern. Und das kommt die Vereinigten Staaten teuer zu stehen. Insbesondere die Wechselwirkung zwischen steigenden Zinskosten als Folge der hohen Verschuldung und wachsenden Ausgaben des Bundesstaates birgt erhebliche Risiken. Höhere Zinsausgaben verringern den verfügbaren Haushaltsspielraum und verstärken in Kombination mit steigenden Ausgaben die Dynamik der Schuldenquote.

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In den vergangenen zwölf Monaten belief sich die Zinslast der USA auf durchschnittlich 97 Milliarden US-Dollar – pro Monat. Was rund 25 Prozent, also ein Viertel der Einnahmen im US-Bundeshaushalt entsprach (Deutschland: sechs Prozent). Damit werden die hohen Zinskosten zunehmend zum Problem für die Regierung in Washington. So wundert es auch nicht, dass Donald Trump seine Gangart zur Einflussnahme auf die Notenbank mit der Entlassung von Gouverneurin Lisa Cook verschärft hat, um niedrigere Zinssätze zu erwirken. Bröckelt die Unabhängigkeit der Fed, könnte dies allerdings im Extremfall zu einer inflationären Spirale, einem kostspieligen Vertrauensverlust an den Finanzmärkten und steigenden Finanzierungskosten trotz niedriger Leitzinsen führen. Die US-Staatsverschuldung würde in diesem Umfeld zur Achillesferse Trumps werden, erwartet die KfW.

Die kommenden Monate und das Jahr 2026 könnten daher sogar zu einem Stresstest für die Stabilität des globalen Finanzsystems insgesamt werden. Denn Washingtons Schuldenkrise hat Auswirkungen, die bis nach Frankfurt oder Peking reichen. Der US-Schuldenberg ist nicht nur der höchste der Welt, sondern die Staatsanleihen und deren Zinssätze haben maßgeblichen Einfluss auf die Finanzmärkte weltweit. Die Kreditfinanzierung von Staaten mittels Anleihen hat nämlich in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Ende 2023 betrug das globale Volumen aller Staatsanleihen umgerechnet rund 72 Billionen US-Dollar und machte gut die Hälfte aller verzinslichen Wertpapiere weltweit aus. Allein 34 Billionen Dollar entfielen davon auf die Vereinigten Staaten.

Derzeit ist die Schuldengrenze in der Politik aber kein Thema. Nach einer Anhebung im Sommer im Rahmen des »One Big Beautiful Bill« liegt sie zurzeit bei 41,1 Billionen Dollar (rund 135 Prozent des BIP). Der Schuldenstand Ende August 2025 belief sich auf knapp 37,2 Billionen Dollar. Damit kann Finanzminister Scott Bessent noch 3942 Milliarden Dollar an neuen Krediten aufnehmen. Den letzten US-Haushalt ohne Defizit gab es übrigens vor einem Vierteljahrhundert.

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