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Finnland: Klage zu Sabotage-Verdacht in der Ostsee abgewiesen
Finnisches Gericht sieht sich nicht zuständig im Fall beschädigter Ostsee-Kabel
Helsinki. Im Prozess um die Beschädigung mehrerer Unterwasserkabel in der Ostsee durch ein mutmaßlich zur russischen Schattenflotte gehörendes Schiff hat ein Gericht in Helsinki die Klage der Staatsanwaltschaft abgewiesen. »Es war nicht möglich, finnisches Strafrecht auf den Fall anzuwenden«, hieß es in einer Erklärung des Gerichts am Freitag. Die Klage falle nicht in den Zuständigkeitsbereich des Gerichts.
Die drei Besatzungsmitglieder des Öltankers »Eagle S« waren beschuldigt worden, im Dezember 2024 in der Ostsee das Stromkabel Estlink 2 und vier Telekommunikationskabel zwischen Finnland und Estland absichtlich beschädigt zu haben. Dazu soll der Anker des unter der Flagge der Cook-Inseln fahrenden Schiffes über eine Strecke von etwa 90 Kilometern über den Meeresboden geschleift worden sein. Die Beschädigung der Kabel hatte laut Staatsanwaltschaft die Energieversorgung in Finnland gefährdet. Für die Betreiber der Kabel entstanden demnach Reparaturkosten in Höhe von mindestens 60 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen »schwerer Sachbeschädigung und schwerer Behinderung von Kommunikation« im August Klage gegen den georgischen Kapitän sowie einen georgischen und einen indischen Offizier erhoben und Haftstrafen von jeweils mindestens zweieinhalb Jahren gefordert. Die Verteidigung hatte hingegen auf nicht schuldig plädiert und von einem Unfall gesprochen.
Mit der sogenannten Schattenflotte soll Russland das im Zuge des Ukraine-Krieges verhängte Öl-Embargo umgehen und dafür unter fremder Flagge fahrende Tanker nutzen.
Im vergangenen Jahr waren mehrere Kabel am Boden der Ostsee beschädigt worden. Sabotageaktionen, die sich gegen Energie- und Kommunikationsinfrastruktur richten, sind nach Angaben von Experten und Politikern Teil eines »hybriden Krieges«, den Moskau gegen die westlichen Länder führt.
Das Amtsgericht von Helsinki kam nun zu dem Schluss, dass der Fall der »Eagle S«-Crew als Vorfall im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens eingestuft werden sollte. Demnach liegt die Zuständigkeit für eine strafrechtliche Verfolgung bei den Gerichten des Flaggenstaates des Öltankers oder den Heimatstaaten der Angeklagten. Die Entscheidung bedeutet, dass die Anschuldigungen gegen die Seeleute vorerst fallen gelassen werden. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.
Derweil konnte ein von der französischen Marine festgehaltener Öltanker, der ebenfalls zur Schattenflotte gehören soll, seine Fahrt fortsetzen. Der chinesische Kapitän und der Steuermann, die sich vorübergehend in Polizeigewahrsam befunden hatten, seien wieder an Bord, hieß es am Freitag aus unterrichteten Kreisen. Am Donnerstagabend hatte der Tanker »Boracay« sich wieder in Bewegung gesetzt und befand sich am Freitagmorgen bereits auf Höhe von La Rochelle, wie aus mehreren auf maritimen Verkehr spezialisierten Websites hervorgeht.
Die Präsenz französischer Soldaten an Bord des Tankers, der zuletzt unter der Flagge von Benin fuhr, hatte großes Aufsehen erregt. Spekulationen, dass das Schiff als Startrampe für die über Dänemark gesichteten Drohnen gedient haben könnte, wurden bislang nicht bestätigt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nahm den Vorfall zum Anlass, um ein gemeinsames Vorgehen der sogenannten Koalition der Willigen gegen die russische Schattenflotte zu fordern. Beim Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Kopenhagen sagte er: »Wenn wir die Schiffe mehrere Tage oder Wochen festhalten, (…) dann zerstören wir das Geschäftsmodell.«
Die EU und Großbritannien führen bis zu 500 Schiffe, die zur Schattenflotte gehören sollen, auf Sanktionslisten. Macron sprach von 800 bis 1000 Schiffen.
Der Öltanker »Boracay«, der in Russland abgelegt hatte und auf dem Weg nach Indien ist, war am vergangenen Samstag von einer Fregatte der französischen Marine nahe der Insel Ouessant im Atlantik aufgehalten worden. Die Soldaten forderten das Schiff zu einer Kursänderung Richtung Küste auf.
Die französische Staatsanwaltschaft wirft dem Kapitän des Tankers, der die chinesische Staatsbürgerschaft besitzt, das Nichtbeachten einer behördlichen Anweisung vor. Er soll deswegen im Februar vor Gericht in Brest erscheinen.
Der russische Präsident Wladimir Putin beschuldigte Frankreich wegen des Festhaltens des Tankers der »Piraterie« und drohte Vergeltungsmaßnahmen an. »Der Tanker ist in neutralen Gewässern ohne jegliche Rechtfertigung beschlagnahmt worden«, sagte Putin. Es habe sich keine militärische Fracht an Bord des Schiffes befunden. Das 244 Meter lange Schiff, das häufig die Flagge und den Namen gewechselt hat, steht seit Februar auf der EU-Sanktionsliste. Agenturen/nd
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