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Aktionscamp in Bremen: Gegen den Umschlagplatz für Ausbeutung
In Bremen und Umgebung beginnen Aktionstage für ein gerechtes und nachhaltiges Ernährungssystem
Zwischen Bremen und Bremerhaven liegt ein Ort der Superlative: Mit einem Umschlagvolumen von weit über drei Millionen Tonnen pro Jahr ist der Weserhafen Brake Deutschlands wichtigster Importhafen für Tierfutter; an Europas größter zusammenhängender Siloanlage können Tag für Tag bis zu 20 000 Tonnen Getreide entladen werden; Soja aus Südamerika und den USA lagert in der vielleicht größten freitragenden Lagerhalle des Kontinents.
Was für die einen ein Logistikwunder darstellt, ist für die anderen das Symbol für eine zerstörerische Agrarindustrie, die Mensch und Umwelt in anderen Teilen der Welt ausbeutet, um hierzulande günstiges Fleisch auf die Teller zu bringen.
Für die einen Logistikwunder, für die anderen Symbol der Zerstörung
Zu letzteren gehören jene Aktivist*innen, die unter dem Label »Disrupt. Food System« am Mittwoch ihre Zelte im nahegelegenen Bremen aufgeschlagen haben, um dort für »eine gerechte Landwirtschaft und gutes Essen für alle und mit allen« einzutreten. Bis Montag findet in der Bremer Südstadt ein Protestcamp statt. »Das Ernährungssystem ist kaputt – und es betrifft uns alle«, sagt eine Sprecherin. »Während Konzerne Milliardengewinne machen, zahlen wir den Preis: mit Ausbeutung, Umweltzerstörung und wachsender Ungleichheit – hier und weltweit.«
In Workshops können sich die Teilnehmenden über die Anfänge der Futtermittelimporte in Deutschland bilden; erfahren vom Widerstand gegen eine Vertiefung der Weser, deren Fahrrinne wegen der immer größer werdenden Schiffe noch weiter ausgebaggert werden soll; und diskutieren, wie eine ökologisch und sozial gerechte Landwirtschaft aussehen könnte.
Aktion zivilen Ungehorsams angekündigt
Die mit dem Camp einhergehenden Aktionstage läuteten Aktivist*innen des Widerstands-Kollektivs, einer Nachfolgeorganisation der Letzten Generation, bereits am Montag ein. An den Futtersilos eines großen Agrarhändlers entrollten sie ein Banner mit der Forderung »Futtermittelimporte stoppen«. Eingeführter Futtersoja etwa stamme oft aus gerodeten Regenwaldflächen, was einhergehe mit Klimazerstörung, Vertreibung und Landraub.
Am Freitag steht eine Fahrradtour von Bremen zum Braker Seehafen an. Neben einer informativen Hafenrundfahrt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist für diesen Tag auch eine Aktion zivilen Ungehorsams angekündigt.
In Bremen soll am Tag darauf eine Demonstration stattfinden, die von einem größeren Bündnis getragen wird, an dem neben Umwelt- und Klimaorganisationen auch Akteure aus der bäuerlichen Bewegung vertreten sind. Dazu gehören etwa die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die Kampagnenorganisation Aktion Agrar, die schon seit Jahren auf die Schattenseite der Futtermittelimporte aufmerksam macht.
Demo gegen Mercosur-Abkommen
Inhaltlicher Schwerpunkt dieser Bündnisdemo ist der Protest gegen das seit Jahrzehnten geplante Mercusor-Abkommen, eine Freihandelszone zwischen EU und Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Bolivien. »Dieses Abkommen soll Handelsströme ausweiten – doch bereits jetzt sind die Folgen dieser Handelsbeziehungen massiv: Abholzung, Monokulturen, Massentierhaltung, Menschenrechtsverletzungen«, so das Bündnis. Anfang September hat die EU eine Ratifizierung des Abkommens angestoßen, nun müssen die beteiligten Regierungen noch zustimmen.
Mit den Protesten ist Disrupt Teil einer »internationalen Koalition gegen das Logistikimperium«, die von Freitag bis Sonntag zu Aktionen gegen die »Logistikindustrie« in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden aufruft. Das französische Bündnis Les Soulèvements de la Terre hat angekündigt, den Bau der Binnenwasserstraße »Canal Seine-Nord Europe« zu blockieren, in Belgien wollen mehrere Gruppen laut eigener Aussage »die logistischen Verbindungen zwischen Europa und Israel ins Visier nehmen, die den Völkermord in Palästina ermöglichen«, und die niederländische Gruppe Geef Tegengas möchte am Samstag »den Rotterdamer Hafen lahmlegen«.
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