Ein Boost für die Wohnungslosigkeit

Die Streichung der Unterkunftskosten in der Grundsicherung trifft Familien besonders hart

Bereits ohne die Reform der Grundsicherung steigt die Zahl der Wohnungslosen jährlich.
Bereits ohne die Reform der Grundsicherung steigt die Zahl der Wohnungslosen jährlich.

Berlin. Ein Verbändebündnis hegt grobe Bedenken gegenüber der geplanten Reform des Bürgergelds. Laut Mieter*innen-, Sozial-, und Wohlfahrtsverbänden sowie der Gewerkschaft Verdi führen die Pläne der Bundesregierung zu mehr Obdach- und Wohnungslosigkeit. Wohnungslosigkeit bedeutet keinen sicheren Wohnort zu haben, Obdachlose leben auf der Straße.

Die sogenannte »neue Grundsicherung« soll das Bürgergeld ersetzen und, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zufolge, fünf Milliarden Euro jährlich einsparen. Das entspräche in etwa zehn Prozent der bisherigen Ausgaben. Erfolgen sollen die Einsparungen vorrangig durch Sanktionen. Wenn Menschen im Bürgergeldbezug mehrmals Termine beim Jobcenter verpassen, droht ihnen beispielsweise der Entzug aller Leistungen. Dazu gehören Geldzahlungen und Unterkunftskosten, also Aufwendungen für Miete und Energie. Darüber hinaus sollen Wohnkosten pauschalisiert werden, was vor allem für Personen in teuren Mietregionen wie Ballungszentren zu Schwierigkeiten führen kann.

»Damit wird das Dach über dem Kopf zum Druckmittel gegenüber einkommensarmen Menschen und ihren Familien.«

Verbändebündnis in offenem Brief

»Damit wird das Dach über dem Kopf – ein elementares Gut menschlicher Existenz – zum Druckmittel gegenüber einkommensarmen Menschen und ihren Familien«, kritisiert das Verbändebündnis in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten. Die Regelungen führten zudem zu Unsicherheiten für Vermietende, weshalb Leistungsberechtigte schwieriger Wohnungen fänden. Für sie sei es schon heute vielerorts nahezu unmöglich, an bezahlbaren Wohnraum zu kommen. Darüber hinaus könnte die Reform nicht nur einzelne Betroffene, sondern ganze Familien in Notlagen bringen, gibt das Bündnis zu bedenken. Von etwa 5,5 Millionen Menschen, die derzeit Bürgergeld beziehen, sind ungefähr 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche.

Die geplante Regelung würde Wohnungslosigkeit »staatlich in Kauf nehmen«, schreibt das Verbändebündnis weiter. Die Maßnahme verursache außerdem ein »Vielfaches« an zusätzlichen Kosten für etwa Notunterkünfte und soziale Folgeschäden. Auch in einem Faktenpapier aus Regierungskreisen, das der »Zeit« vorliegt, heißt es, aus dem Gesetzentwurf ergeben sich »keine nennenswerten Einsparungen«. »Statt Wohnungslosigkeit zu verschärfen, sollte die Politik alle Kraft darauf verwenden, die Wohnung als Grundlage der Menschenwürde zu schützen«, so Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

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