Schwuz: Eine perverse Situation

Mit dem SchwuZ verschwindet eine queere Institution und ein Stück Berliner Kultur

Ein weiteres Anzeichen der Provinzialisierung Berlins: Das SchwuZ soll schließen.
Ein weiteres Anzeichen der Provinzialisierung Berlins: Das SchwuZ soll schließen.

»Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt«, lautet der programmatische Titel eines berühmt gewordenen Films der Schwulenikone Rosa von Praunheim von 1971. Sechs Jahre nach dessen Erscheinen gründete sich das Schwulenzentrum, das kurz und liebevoll SchwuZ genannt wird, in Räumlichkeiten, die von Praunheim zur Verfügung stellte.

Nicht zu rein hedonistischen Zwecke war die Westberliner Schwulenbewegung auf diesen Ort angewiesen: Von hier aus wurde Politik gemacht, um Sichtbarkeit gekämpft, ein erster Christopher Street Day auf Berliner Boden ausgerichet, schwulen Künstlern ein Raum gegeben.

Das SchwuZ hat vielem standhalten können: der Homophobie der Westberliner Mehrheitsgesellschaft; der Aids-Pandemie, die einen Teil der Szene hinweggerafft, zu neuer Unsicherheit geführt und alte Vorurteile wiederbelebt hat; Online-Plattformen wie GayRomeo, die dazu geführt haben, dass der gerade erkämpfte Platz in der Gesellschaft zum Teil wieder aufgegeben wurde zugunsten von anonynem Sex.

Jetzt steht das SchwuZ aufgrund von steigenden Kosten vor der Insolvenz. Der Umstand, dass die finanzielle Schieflage nicht durch die öffentliche Hand aufgefangen wird, illustriert bestens die fortschreitende Provinzialisierung der Hauptstadt. Einem Senat, der die Bedeutung der Kultur für Berlin nicht zu ermessen bereit ist und der nicht begreift, dass dazu nicht nur – ebenfalls unter massivem Spardiktat leidende – drei Opernhäuser, die vielen Schauspielbühnen, Museen und Bibliotheken zählen, sondern auch Treffpunkte einer queeren Szene sowie Clubs – einem solchen Senat ist kaum noch zu helfen.

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