- Wirtschaft und Umwelt
- Frankreich
Total wegen Greenwashings verurteilt
Gericht in Paris untersagt dem Öl- und Gaskonzern, mit vermeintlicher Umweltfreundlichkeit Werbung zu machen
Erstmals ist es Umweltorganisationen in Frankreich gelungen, einen multinationalen Konzern für Lügen über sein angebliches Umweltengagement verurteilen zu lassen. Ein Gericht in Paris entschied, dass der Energiekonzern Total versuche, durch bewusst irreführende Werbung die Öffentlichkeit von seinem angeblichen Willen zu überzeugen, CO2-Neutralität anzustreben. In Wirklichkeit werde die Förderung von Öl und Gas weiter forciert und mache nach wie vor den wichtigsten Teil der Aktivitäten von Total im In- und Ausland aus, so die Richter. Es sei daher falsch und irreführend, wenn Total behaupte, einer der weltweit wichtigsten Akteure für den Übergang zu erneuerbaren Energien zu sein.
Über 40 Umweltorganisationen, darunter Greenpeace France, Les Amis de la Terre und Notre affaire, hatten im Jahr 2021 geklagt, als sich der Konzern in Total Energies umbenannte und das angebliche Engagement für Klimaneutralität bis 2050 in den Mittelpunkt seines öffentlichen Auftretens stellte. Dabei wurde aber verschwiegen, dass die Wind- und Solarenergie auch weiterhin ein sekundärer Bereich der Konzernaktivitäten blieb und massiv in die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen vor allem in Afrika investiert wurde.
Der multinationale Konzern mit Sitz in Paris habe in bewusst irreführender Weise sein Engagement für die Umwelt übertrieben und die Verbraucher glauben gemacht, sie täten etwas für den Schutz der Umwelt und des Klimas, wenn sie Produkte oder Leistungen von Total kaufen, stellten die Richter in ihrer Urteilsbegründung fest. Damit folgten sie fast wörtlich der Argumentation der Kläger. Das Gericht verurteilte den Konzern dazu, den klagenden Organisationen eine symbolische Summe als Wiedergutmachung für den moralischen Schaden zu zahlen. Außerdem muss Total das Urteil innerhalb von einem Monat auf seinen Internetseiten veröffentlichen und dort 180 Tage stehen lassen. Abgewiesen wurde hingegen die Forderung, Total auch dafür zu verurteilen, dass die Produktion von Treibstoff aus Agrarprodukten und die Förderung von Naturgas angepriesen wird, obwohl das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen schädlich für die Umwelt und den Artenschutz ist. Dabei handele es sich nicht um Werbung, die sich an die breite Öffentlichkeit wendet, sondern um Informationen für Partnerfirmen und Investoren, entschieden die Richter und folgten damit den Argumenten der Anwälte von Total.
Laut Greenpeace ist das Urteil eine »Wende im Kampf gegen Greenwashing«, das den vielen ähnlichen Klagen auch in anderen Ländern Auftrieb geben werde. Erstmals wurde ein Öl- oder Gaskonzern verurteilt. In Spanien war im Februar der Stromversorger Iberdrola mit seiner Klage gegen den Ölkonzern Repsol gescheitert, der behauptet hatte: »Der Kampf gegen den Klimawandel liegt uns im Blut.« In den USA hatte im vergangenen Januar die Stadtverwaltung von New York vergebens gegen mehrere Ölkonzerne geklagt, weil diese die Verbraucher ungenügend über die Konsequenzen des Einsatzes ihrer Produkte informieren. Hingegen wurde die Lufthansa per Gerichtsentscheid gezwungen, ihre den Richtern zufolge »irreführende Werbung« über die Kompensation der durch die Flüge verursachten CO2-Emissionen zurückzuziehen.
Total führte zu seiner Verteidigung an, dass von den acht Milliarden Euro, die die Firma seit 2020 in Frankreich investiert hat, die Hälfte auf Solar- oder Windenergieprojekte entfiel. Pro Jahr würden hier zwei Gigawatt Strom produziert, was der Kapazität von zwei Kernkraftwerken entspreche. Auch sei die Öl- und Gasförderung umweltverträglicher geworden. So betont die Konzernführung, dass durch den Einsatz neuer Technologien die CO2-Emissionen zwischen 2015 und 2024 um 35 Prozent gesenkt werden konnten. Aber auch das ist Fakt: Weltweit entfallen drei Viertel der Investitionen von Total auf Öl und Gas.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.