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Brandenburgs AfD bei Kommunalwahl: Knapp daneben ist auch vorbei
Hat die AfD in Brandenburg ihren Zenit überschritten?
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat die Bürgermeisterwahlen in Brandenburg verloren – zumindest arithmetisch. Die rechtsextreme Partei wird weiterhin keinen hauptamtlichen Bürgermeister im Bundesland stellen. Sie zog außerdem nur in fünf Stichwahlen ein. In der fünftgrößten Stadt Brandenburgs, Oranienburg, setzte sich am vergangenen Sonntag mit Jennifer Collin-Feeder die Kandidatin der SPD mit 59,6 Prozent in der Stichwahl durch, in Eisenhüttenstadt gewann der parteilose Kandidat mit SPD-Unterstützung, Marko Henkel, mit 57 Prozent. In Frankfurt/Oder zieht der ebenfalls von der SPD unterstützte parteilose Einzelbewerber Axel Strasser in das Rathaus ein, er konnte 69,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. In Bad Freienwalde setzte sich Ulrike Heidemann (CDU) mit 51,6 Prozent der Stimmen knapp gegen den AfD-Kandidaten Frank Vettel durch. In Wriezen gewann der Christdemokrat Karsten Ilm mit 71,4 Prozent dagegen deutlich.
Damit konnte die AfD nicht an ihre Erfolge bei der Bundestagswahl im Januar anknüpfen. Damals wurde die rechtsextreme Partei mit 32,5 Prozent aller Zweitstimmen nicht nur die stärkste Kraft im Bundesland, sondern gewann auch neun von zehn Wahlkreise. Allein der damals amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) konnte sich in seinem Potsdamer Wahlkreis gegen einen Kandidaten der AfD durchsetzen. Damals fuhr die märkische AfD in einigen Gemeinden Brandenburgs teilweise erdrutschartige Siege ein. So stimmten in der Gemeinde Jämlitz-Klein Düben (Spree-Neiße) 69,2 Prozent für die rechtsextreme Partei. Nur in zehn Brandenburger Gemeinden erhielt die AfD nicht die meisten Zweitstimmen. Der bis dato einzige hauptamtliche Bürgermeister der AfD in Brandenburg, der als Parteiloser gewählte Arne Raue aus Jüterbog, zog als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag ein.
In der Gunst der Wähler lagen damals CDU mit 18,1 Prozent und die SPD mit 14,8 Prozent weit abgeschlagen. Die Linkspartei und der BSW konnten beide um die 10 Prozent auf sich vereinen. Bei der Bundestagswahl vier Jahre zuvor hatte die SPD noch alle zehn Wahlkreise gewonnen. Aufgrund dieser Ergebnisse malte sich der märkische Landesverband der AfD bei den diesjährigen Bürgermeisterwahlen große Erfolge aus, zumal noch im September laut einer aktuellen Insa-Umfrage die Partei zehn Prozentpunkte Vorsprung auf die im Land regierende SPD hatte. Vor allem in den beiden Städten Frankfurt (Oder) und Oranienburg wollte die rechtsextreme Partei reüssieren.
Das Wählerpotenzial der Rechtsextremen ist zwar enorm hoch, aber noch längst nicht mehrheitsfähig.
Im ersten Wahlgang konnten die Kandidaten der AfD häufig die meisten Stimmen erringen, in den jeweiligen Stichwahlen jedoch setzte sich die demokratische Mehrheit durch. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem die Wahlempfehlungen der ausgeschiedenen Bewerber. Unabhängige Kandidaten profitierte derweil davon, dass die Politikverdrossenheit gegenüber den etablierten Parteien sie nicht direkt betraf. Alles in allem war flächendeckend zu beobachten, dass es vor allem in den Stichwahlen immer noch mobilisierend wirkt, wenn ein demokratischer Kandidat einem Bewerber der AfD gegenüber steht.
Die Niederlagen an den Urnen kommentierte der Landesvorsitzende der rechtsextremen Partei, René Springer, mit einem Angriff auf die demokratische Teilhabe. Ursächlich für die Niederlage der AfD sei laut dem Bundestagsabgeordneten die Briefwahl. »Auffällig ist erneut, dass die Briefwahlergebnisse deutlich schlechter ausfallen als die Ergebnisse der Urnenwahl am Wahltag selbst«, so Springer. Deshalb plädiere seine Partei für die Abschaffung der Briefwahl. Ein offensichtlicher Wink mit dem Zaunpfahl an die eigene Klientel, die sich als Mehrheit und deswegen um den sicher geglaubten Wahlsieg betrogen fühlt.
Dass dem Scheitern der märkischen Rechtsextremen womöglich gänzlich andere Ursachen zugrunde liegen, nimmt Springer nicht zur Kenntnis. Bisher verhinderte die demokratische Mehrheit im Land einen direkt gewählten Bürgermeister der AfD. Selbst in Regionen, die längst nicht mehr als Speckgürtel der bundesdeutschen Hauptstadt durchgehen. Bei keiner Stichwahl konnte die Partei relevante Zugewinne bei der Stimmabgabe verzeichnen – egal ob es sich dabei um urbane Zentren oder ländliche Regionen handelt. Das Wählerpotenzial der Rechtsextremen ist zwar enorm hoch, aber noch längst nicht mehrheitsfähig. Die erwartete »blaue Welle« bliebt somit aus. Knapp daneben ist letztlich auch vorbei.
Die Wähler wandten sich stattdessen häufig unabhängigen Kandidaten zu, die teilweise von Parteien oder Wählervereinigungen unterstützt wurden, wie die parteilose Einzelbewerberin Noosha Aubel in der Landeshauptstadt Potsdam. Die 49-Jährige wurden von den Grünen, der liberalen Kleinpartei Volt, der lokalen Wählergruppe ›Die Andere‹ und der Fraktion Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit bei ihrem Wahlantritt unterstützt. In der Stichwahl holte Aubel mehr als 70 Prozent aller Stimmen und sorgte somit dafür, dass die SPD nach 35 Jahren den Chefposten im Potsdamer Rathaus räumen musste. Auch in vielen anderen Rathäusern zogen parteilose Kandidaten ein, in Jüterbog folgte beispielsweise auf das AfD-Mitglied Raue die parteilose Kandidatin Christiane Lindner-Klopsch. Am Ende der Wahl hat die AfD also sogar ihr einziges Rathaus verloren, statt weitere hinzuzugewinnen.
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