Uckermark: Gemeinsam mit der AfD für Frieden

Appell des Kreistags Uckermark gegen Waffenlieferungen auch von der AfD unterzeichnet

Große weiße Friedenstaube
Große weiße Friedenstaube

In tiefer Sorge, dass der Krieg in der Ukraine eskaliert, haben Kreistagsabgeordnete aus dem Landkreis Uckermark einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagspräsidentin Bärbel Bäs (beide SPD) aufgesetzt. Unterzeichnet haben den Brief neben Landrätin Karina Dörk (CDU) unter anderen auch die Landtagsabgeordneten Andreas Büttner (Linke) und Christine Wernicke (Freie Wähler) sowie der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen (CDU). Das wird ihnen jetzt zum Vorwurf gemacht, weil sich unter dem Friedensappell auch die Unterschriften von Hannes Gnauck (AfD) und David Weide von der neofaschistischen, in »Die Heimat« umbenannten Partei NPD finden. Die Brandmauer gegen rechts habe in diesem Falle nicht gehalten, lautet die Anschuldigung.

Brandenburgs Linksfraktions- und Linksparteichef Sebastian Walter soll sich am Dienstag im Landtag dazu äußern und tut es. »Ich habe mir den offenen Brief durchgelesen und ich hätte ihn auch unterschrieben«, bekennt er.

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Im Brieftext ist klargestellt: »Den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine und den daraus resultierenden Krieg verurteilen wir auf das Schärfste. Wir sind solidarisch mit dem ukrainischen Volk.« Aber: »Waffenlieferungen lösen keine Konflikte und sind insbesondere mit Blick auf die deutsche Geschichte moralisch nicht vertretbar.« Deutschland sollte keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete schicken und stattdessen jedwede humanitäte Hilfe leisten. »Krieg kennt nur Verlierer. Statt der Dominanz des Militärs brauchen wir die Sprache der Diplomatie und des Friedens«, heißt es.

Walter beteuert, sein Genosse Büttner habe nicht gewusst, dass der Brief hinterher noch der AfD und der Partei »Die Heimat« zur Unterschrift vorgelegt würde. Die Friedensinitiative sei von der CDU ausgegangen, die den Vorschlag in den Ältestenrat des Kreistags eingebracht habe. Den Einsatz für ein friedliches Zusammenleben der Völker und ein geeintes Europa, das vertrete die AfD nicht. »Wenn einzelne ihrer Vertreter diesen Brief nun dennoch unterschrieben haben, kann man dies nur als durchsichtigen Versuch werten, das Anliegen und die Willensbekundung der Demokratinnen und Demokraten im Kreistag zu diskreditieren«, findet Walter. »Auf diese Provokation einzugehen, deshalb auf eine solche Friedensinitiative zu verzichten, würde bedeuten, dieser Partei eine Macht zuzubilligen, die ihr nicht zusteht.« Der Linksfraktionschef betont: »Unsere Position ist klar definiert: Konsequent – für den Frieden und gegen rechts! Mit Nazis arbeiten wir nicht zusammen – nirgendwo.«

Walter nennt noch ein Beispiel: Die laufende Volksinitiative »Schule satt« der Linken, die sich in einem Aktionsbündnis mit Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Elternbeiräten dafür einsetzt, dass Grundschülern in Brandenburg ein kostenloses Mittagessen angeboten wird. Da ließe sich auch nicht verhindern, wenn AfD-Anhänger unterschreiben. Das Anliegen sei trotzdem richtig.

Ähnlich argumentiert im Hinblick auf Christine Wernicke von den Freien Wählern deren Landesvorsitzender Péter Vida. Er verweist auf die von seiner Gruppe vorangetriebene Volksinitiative »Gesundheit ist keine Ware« zur Rettung der Krankenhäuser und Arztpraxen. Am Wochenende hatte Vida verkündet, dass die für einen Erfolg notwendigen mindestens 20 000 Unterschriften beisammen seien. Da habe er auch nicht kontrollieren können, wem die Listen zur Eintragung gegeben werden. Seine Gruppe betreibe keine Außenpolitik, erklärt Vida. Aber: »Wenn mir jemand einen Brief vorlegt, der meiner Überzeugung inhaltlich entspricht – warum soll ich den nicht unterschreiben?« Er könne also Christine Wernicke keinen Vorwurf machen, die nicht gewusst habe, dass auch Hannes Gnauck unterschreiben würde. Distanzieren könnten sich die Freien Wähler von der AfD und das hätten sie oft genug getan. Von dem Friedensappell müssten sie sich nicht distanzieren.

CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann sieht in der Uckermark eine besondere Situation, weil sich dort in Schwedt die PCK-Erdölraffinerie befindet, die an der alten sowjetischen Erdölleitung »Druschba« hängt. Aus der fließt zwar seit Anfang vergangenen Jahres wegen des Krieges in der Ukraine nicht mehr das gewohnte sibirische Öl. Russland darf es hier nicht mehr verkaufen. Es soll auf diesem Wege keine Mittel zur Finanzierung seines Krieges in der Ukraine einnehmen können. Stattdessen fließt Öl aus dem neutralen Kasachstan durch diese Leitung oder wird von Öltankern über die Ostseehäfen in Rostock und im polnischen Gdańsk geliefert.

Dennoch bestehe die Befürchtung, die Raffinerie könne durch das Einfuhrverbot für russisches Öl Schaden nehmen und es hängen doch gut bezahlte Industriearbeitsplätze daran, weiß Redmann. Er könne die Zukunftssorgen nachvollziehen und den Gedanken hinter dem Brief verstehen. Zwar vertritt Redmann eine andere Überzeugung, dass nämlich Deutschland die Ukraine gegen Russland unterstützen und diese die notwendigen Waffen erhalten müsse. Aber unterschiedliche Auffassungen in solchen Fragen seien in einer Volkspartei wie der CDU normal. »Man sollte daraus keinen Tabubruch konstruieren«, nimmt der CDU-Landesvorsitzende die CDU-Landrätin in Schutz.

Der Inhalt des Briefs an den Bundeskanzler dürfte für Redmann keine Überraschung gewesen sein. Denn bereits im März hatte Karina Dörk mit Unterstützung von 21 anderen Delegierten bei bei einem CDU-Landesparteitag in Potsdam einen Antrag mit einer ähnlichen Stoßrichtung eingebracht. Auch da wurde das Vorgehen Russlands auf das Schärfste verurteilt, jedoch zugleich schon gefordert: »Neben der militärischen Unterstützung für die Ukraine sind in Zukunft deutlich stärkere diplomatische Initiativen zu ergreifen, um auf Russland einzuwirken, diesen brutalen Krieg endlich am Verhandlungstisch zu beenden.« Das sinnlose Sterben müsse ein Ende haben. Deutschland habe nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg »eine besondere historische Verantwortung«.

SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller geht auf Distanz zu den Vorgängen in der Uckermark: »Wir sehen es sehr, sehr kritisch.« Er bezieht sich dabei zunächst auf die Verfahrensweise, bei der nicht klar wurde, wer da noch würde unterschreiben können. Aber auch mit dem Inhalt des Briefs hat er seine Probleme. Stolz verweist Keller darauf, dass sich die SPD-Kreistagsfraktion distanziert und ursprünglich nur einer ihrer Abgeordneten unterschrieben habe. Tatsächlich waren es aber zwei: Wolfgang Seyfried und Burkhard Fleischmann. Von dem Linke-Landtagsabgeordneten Andreas Büttner erwartet Keller nun »eine klare Aussage«. Dabei weiß der SPD-Politiker, dass es nicht der erste Brief dieser Art ist. Auch aus den Städten Zehdenick und Königs Wusterhausen sowie aus dem Landkreis Oder-Spree sind ähnliche bekannt geworden.

Abseits gehalten haben sich im Kreistag Uckermark nur die Grünen. »Wir haben da eine klare Haltung«, sagt ihr Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke. Die anderen sollen sich distanzieren. Außerdem müsse aufgeklärt werden, wer die Brandmauer durchstoßen habe, verlangt Raschke. Schließlich müsse irgendjemand den Brief der AfD und der Partei »Die Heimat« zur Unterschrift vorgelegt haben, ohne alle anderen darüber in Kenntnis zu setzen.

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