Kreuzzug gegen den Kommunismus

Antiimperialismus als Klassenkampf im Weltmaßstab: Peter Hacks, die Kunst und das höchste Stadium des Kapitalismus

  • Ingar Solty
  • Lesedauer: 5 Min.
Sieht nach Schokolade aus, ist aber aus Granit: Lenindenkmal von Nikolai Tomski in Berlin, später demontiert vom Klassenfeind
Sieht nach Schokolade aus, ist aber aus Granit: Lenindenkmal von Nikolai Tomski in Berlin, später demontiert vom Klassenfeind

Für Peter Hacks waren Kunst und Kommunismus unlösbar verbunden. Die Aufgabe von Kunst sei »von ihrer besonderen gesellschaftlichen Stelle« aus der »vollkommene Mensch«. Der »Kommunismus« sei »am Horizont, seit es eine Kunst gibt. Und wo angemessen über Kunst gedacht wird, wird über Kommunismus gedacht.«

Auf seinen Boden stellt sich Hacks: »Bekanntlich unterscheiden die Kommunisten sich von den Schwarmgeistern dadurch, daß sie über den Tag der Revolution hinaus zu denken vermögen.« Sie begnügten sich nicht damit, »die bürgerliche Gesellschaft abzuschaffen; sie haben vielmehr im Sinn, die sozialistische und nach der die kommunistische Gesellschaft herzustellen.«

Das 20. Jahrhundert ist für Hacks der Gegensatz von Imperialismus und Sozialismus. Der Kapitalismus sei mit dem Ersten Weltkrieg ans Ende seiner Zivilisationskraft gekommen. Als »verkehrte Welt der Ausbeuter« verpeste er »den Erdball«.

1914 ist für den Sozialismus entscheidend: »Zusammenbruch der II. Internationale. Das Ende des Friedens, das war leicht abzusehen, würde die bisherige Welt beschädigen. Das Ende des Sozialismus aber würde die künftige Welt vernichten.« Vor der sozialdemokratischen Zustimmung zu den Kriegskrediten sei »die menschliche Gesellschaft scheinbar in Ordnung« gewesen. »In allen Ländern der Welt« marxistische Sozialdemokratien, »im Zunehmen begriffen« und »über die Grenzen hinweg zusammengeschlossen. Sie vertraten beides, die Arbeiterklasse und die Weltvernunft, und es galt für sicher, daß sie demnächst den Imperialismus überwinden und den Kommunismus in Europa einführen würden.«

Aber dann: »Das Finanzkapital schickte sich daran, zehn Millionen Menschen umzubringen, und die Sozialdemokraten stimmten dafür.« Der »Fachname für diese wunderbare Selbstauflösung des organisierten Proletariats«: »Opportunismus«. Seine Verkörperung ist Eduard Bernstein, der »linke Militarismus« bloß seine »Erscheinungsform«, sein »Wesen« die »Abschaffung der marxistischen Gesellschaftslehre und die Durchsetzung bürgerlicher Denkgewohnheiten und Wertvorstellungen«.

1917 folgt die Zäsur, die den Sozialismus zum Leben erweckt: »Drei Jahre nach dem völligen Abhandenkommen des Sozialismus von der Erdoberfläche« habe »die Russische Revolution« stattgefunden. »Wieder ein Jahr drauf« habe »die Kommunistische Partei Deutschlands« beschlossen, »daß man fortan mit ihr sollte zu rechnen haben«. Es sind Lenin, Trotzki, Kollontai, die Kautsky und Co. im Westen vorhalten: Wären wir nicht gewesen, läget ihr immer noch in den Schützengräben.

Die erste siegreiche proletarische Revolution ist für Hacks alles entscheidend. Ein »Sechstel der Erde« wird rot. Der Marxismus wandert in die Welt. Die Oktoberrevolution inspiriert nicht nur die sozialen Antikriegsrevolutionen im Westen. Ohne sie wäre auch nie die 1921 gegründete KP Chinas im marxistischen Geist entstanden. Ohne den Sieg der Chinesischen Revolution 1949 wäre der Marxismus weder Staatsideologie in einem Drittel der Erde noch Inspirationsquelle für Revolutionsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika geworden. Kurz, die Oktoberrevolution stand Pate für die Globalisierung der Ideen von Marx und Engels.

Mao Tse-tung war überzeugt: Jede nationale Befreiungsbewegung vom Imperialismus sei seither gezwungen, sich in die proletarische Weltrevolution einzureihen. Es gebe keinen Platz mehr für beschränkte bürgerliche Revolutionen. Das denkt auch Hacks: Der »Epochenwiderspruch« sei der zwischen Weltrevolution und »Weltgegenrevolution«. Die deutsche Spaltung interpretiert er als eine der Klassen: in der BRD Kapitalherrschaft, also »Diktatur der Bourgeoisie«; in der DDR Volkseigentum, also Diktatur des Proletariats. Der Imperialismus ist die Form der Konterrevolution auf zwischenstaatlicher Ebene.

Hacks sagt von sich: »Ich habe als Kind, in einer antifaschistischen Familie, den Imperialismus in seinem ausgedrücktesten Zustand, dem Nazismus, kennengelernt.« Die postfaschistische Elitenkontinuität füge sich gut ein: »Eine imperialistische Regierung ohne Mörder wäre ein Adler ohne Klauen.« Die Bundesrepublik erscheint nicht als bloße Rechtsnachfolgerin des Faschismus, sondern als Kontinuität seines »Kreuzzugs gegen den Kommunismus«.

Die Vorstellung von der Friedensfähigkeit des Imperialismus verweist Hacks ins Reich der Illusionen. Bürgerliche Außenpolitik ist für ihn notwendigerweise Macht und Gewalt. Das Völkerrecht sei der Versuch, die »Begierden« von »Staaten und Monopolen« durch ein »Rechtsverhältnis« zu regeln. An dieses habe »sich im Ernst noch keiner gehalten. Schon ein innerer Frieden kann anders nicht gedacht werden als bei vergesellschaftetem Eigentum und unter der Bedingung eines überquellenden Erzeugungsreichtums … Ein äußerer Frieden gar« sei nur »möglich unter der Bedingung des Weltsozialismus und des Weltüberflusses«.

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Antiimperialismus ist Klassenkampf im Weltmaßstab. Sein Ziel: die Erweiterung des Blocks des Weltproletariats als Element der Weltrevolution. Die »Möglichkeit ihrer Durchführung« rechtfertige sie. Die Gewalt sei »ein mögliches Mittel«, aber »ein unerfreuliches.« Die »Mittel der Revolution« würden »diejenigen ihrer Gegner in Rechnung ziehen müssen«. Fest stehe aber, »daß die Revolution nie Ursache hat, gewalttätiger zu sein als ihre Gegner, und daß sie es nie sein wird«. Die klassenlose Gesellschaft sei »kein Endzustand«, sondern mit ihr fange »die menschliche Geschichte ja erst an«.

Der eurokommunistische Weg, den Biermann, der »Eduard Bernstein des Tingeltangel«, der DDR vorschlägt, erscheint Hacks als Weg zur Wiedereinführung »eine[r] imperialistische[n] Wirtschaft und Herrschaft«. Zur Konvergenztheorie sagt er: »Gewiß ist die Vorstellung, man könne die Vorzüge des Sozialismus mit den paar noch übrigen Vorzügen des Imperialismus verbinden, angenehm.« Aber: »Es ist der Wunsch nach einem schokoladenen Leninismus, und ein Lenin, der aus Schokolade wäre, würde schnell schmelzen.«

1989 wird die Grenze zum Imperialismus geöffnet. Anhand der Französischen Revolution von 1789 bespricht Hacks die Konterrevolution von 1989. Die Revolution als solche mache »in keinem ihrer vielen Zustände ein schönes Bild«, aber sie habe »tatsächlich nichts Neues gebracht, nur eine neue Epoche«. Hacks verteidigt weiter die Diktatur des Proletariats als notwendig, verbunden mit der Warnung vor der »ungeheuren Tyrannei … der parlamentarischen Demokratie« als »die Befehlsgewalt der Kammermehrheit«. »Von allen Herrschaftsformen« sei »die Oligokratie die schlechteste, und von allen Oligokratien die schlechteste« sei »die Befehlsgewalt der Kammermehrheit«. »Wenn ein Volk Brot essen will, sollte es vermeiden, liberal zu fühlen.«

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Kurzfassung von Ingar Soltys Vortrag für die Peter-Hacks-Tagung am 1. November in Berlin.
www.peter-hacks-gesellschaft.de

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