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KZ Ravens­brück: Rutschiger Abhang der Zivilisation

Denkzeichen für jüdische Opfer des KZ Ravens­brück eingeweiht

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Steinquader werden enthüllt.
Die Steinquader werden enthüllt.

Die Sonne scheint noch einmal sehr schön über dem Schwedtsee im Norden Brandenburgs. Hier zu baden, verbietet sich jedoch. In den See wurde in der Nazizeit die Asche unzähliger Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück geschüttet. Am Ufer, wo sich einst das Lager befand, eröffnete 1959 eine inzwischen erheblich erweiterte Gedenkstätte. Sie beherbergt nun ein spezielles Denkzeichen für die jüdischen Opfer. Es wurde am Donnerstag eingeweiht.

Dem Entwurf der Architekten Tine Steen und Klaus Schlosser folgend, sind 40 Steinquader in den Boden eingelassen. Darauf zu lesen die Zitate von Überlebenden, unter anderem eine Zeile von Eleonora Idsikowskaja: »Ich weiß immer noch nicht, wie ich die Kraft hatte, das alles zu ertragen.«

Bis 1942 waren in Ravensbrück 1400 Jüdinnen eingesperrt, von denen im Frühjahr jenen Jahres 800 in die Heil- und Pflegeanstalt Bernburg gebracht und dort mit Giftgas ermordet wurden. Weitere 522 wurden nach Auschwitz deportiert. Als das Vernichtungslager Auschwitz vor den herannahenden sowjetischen Truppen geräumt wurde, kamen wieder Jüdinnen nach Ravensbrück und außerdem slowakische und ungarische Juden. Insgesamt litten rund 20 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder in Ravensbrück, etwa die Hälfte stammte aus Ungarn. Wie viele von ihnen ermordet worden sind, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Man weiß aber, dass jeder dritte Häftling Ravensbrück nicht überlebte.

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Mit dem Leben davongekommen ist Richard Fagot, der im November 1944 im Alter von neun Jahren nach Ravensbrück verschleppt wurde. Er wohnt heute hochbetagt in Israel und reiste wie vier andere alte Leidensgenossen zur Einweihung am Donnerstag an. Für Fagot ist es gut zu wissen, dass in Deutschland ein Teil der Bevölkerung immer wieder beweise, »dass es ihnen klar ist, dass der Antisemitismus ein erster Schritt auf dem schlüpfrigen Abhang zur mangelnden Meinungsfreiheit, gegen die Demokratie, gegen die Grundwerte der westlichen Zivilisation ist«. Die Überlebende Mala Tribich meint: »Wir alle müssen wachsam und aktiv gegen Hass vorgehen.« Bei Ungerechtigkeit wegzusehen, wäre verwerflich.

Der stellvertretende israelische Botschafter Guy Gilady sieht mit Sorge, dass die Opfer der Shoah in der Gedenkkultur mancherorts in den Hintergrund geraten. »Während die spezifisch jüdische Dimension abgeschwächt wird, sinkt gleichzeitig das allgemeine Wissen über die Verbrechen der Nationalsozialisten, und die Erinnerung wird diffuser«, sagt er. »Diese Entwicklung dürfen wir nicht hinnehmen.«

Die Initiative für das Gedenkzeichen hatte der Zentralrat der Juden in Deutschland ergriffen. Präsident Josef Schuster erklärt: Als Ort jüdischen Leidens, doch genauso als Ort weiblicher Stärke sei das Frauen-KZ tief eingebrannt ins kollektive Gedächtnis. Es sei gut, dass es 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nun endlich einen Ort der würdigen Erinnerung für Überlebende, Hinterbliebene und Nachfahren gebe.

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