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Linke im Nahost-Konflikt

Der Kongress der Parteijugend Solid wirft Fragen auf

Manche Slogans der Linksjugend Solid sind umstritten, andere nicht.
Manche Slogans der Linksjugend Solid sind umstritten, andere nicht.

Die Linkspartei muss mal wieder den Nahost-Konflikt ordnen – vorerst in den eigenen Reihen. Anlass ist der Bundeskongress des Linke-Jugendverbands Solid am letzten Wochenende, der mit dem mit deutlicher Mehrheit angenommenen Beschluss »Nie wieder zu einem Völkermord schweigen« von sich reden gemacht hat. Darin wird – angetrieben vom Berliner Solid-Landesverband – ein umfassendes Reuebekenntnis abgelegt. Der Jugendverband, der mehr als 12 000 Mitglieder zählt, habe historisch versagt, heißt es mit Bezug auf den Gaza-Krieg, »den kolonialen und rassistischen Charakter des israelischen Staatsprojekts, der sich von seinen Anfängen bis heute in der Eroberung neuer Gebiete und in der Vertreibung ihrer Einwohner:innen ausdrückt, anzuerkennen«. Man habe auch nicht »die Verbrechen des israelischen Staates, vom Apartheidsystem bis zum Genozid in Gaza«, beim Namen genannt und die Forderungen der Palästinenser nach nationaler Gleichberechtigung anerkannt. Der neue Beschluss revidiert faktisch den Beschluss »Selbstbestimmung, Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden für alle im Nahen Osten« vom Februar 2024 – schon die Titel markieren den grundsätzlichen Unterschied.

Diesen Beschluss sollen vor allem jene Solid-Mitglieder »deutlich nach außen vertreten«, die Sprecherfunktionen innehaben, in Parteigremien arbeiten oder in Parlamenten sitzen. Die Linkspartei wird aufgefordert, diesen Positionen zu folgen; zudem müsse »die Befreiung Palästinas als Teil einer breiteren demokratischen und sozialistischen Revolution betrachtet werden, die den Imperialismus und Kapitalismus aus der Region herauswirft«. Neben solchen revolutionsromantischen Vorstellungen fällt auf, dass in dem Beschluss keinerlei Bezug auf die Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 genommen wird und die Gründungsgeschichte des Staates Israel als Konsequenz aus dem Holocaust ausgeblendet bleibt. Medienberichten zufolge wurde die Erwähnung der Opfer des Hamas-Terrors abgelehnt. Insofern sieht der Linke-Politiker Benjamin-Immanuel Hoff, der lange Kulturminister in Thüringen war, einen »Beschluss im Fahrwasser israelhassenden Anti-Imperialismus« und spricht von historischer Blindheit bei Solid.

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Die Auseinandersetzung um den Nahost-Konflikt hat in der Linkspartei – mit einem stark palästinasolidarischen Flügel sowie Israel-Unterstützern wie der Bundesarbeitsgemeinschaft Schalom – eine lange Geschichte. Zuletzt gab es auf den Parteitagen in Halle 2024 und in Chemnitz 2025 widersprüchliche Beschlüsse, die Ausdruck dieser anhaltenden Auseinandersetzung sind. Das jüngste Kapitel – der Solid-Kongress vom letzten Wochenende – war zudem begleitet von Berichten über Drohungen und Mobbing gegenüber Teilnehmern mit einer anderen Haltung.

Das alles hat den Linke-Vorstand veranlasst, sich am Mittwochabend in einer Sondersitzung mit dem Thema zu befassen. Zumal es nun in interessierten Medien gegen die gesamte Linke gewendet wird, dass überhaupt die Politik Israels und der Gaza-Krieg kritisiert werden. Nahezu alle Teilnehmer der Sondersitzung– auch diejenigen, die sich in der Palästina-Solidarität engagieren – fanden den Solid-Beschluss in seiner Einseitigkeit falsch, wie »nd« erfuhr. Die Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken erklärten dazu, der Solid-Beschluss sei nicht mit den Positionen der Linken vereinbar. Eine einseitige Perspektive auf Israel und Palästina bringe niemandem in der Region etwas. Kritik an Israels Politik sei »absolut notwendig«, sie dürfe aber »niemals den Schutz jüdischen Lebens infrage stellen oder die Existenz Israels delegitimieren«. Mit Solid sollen die jüngsten Vorgänge aufgearbeitet werden – nicht zuletzt, was die politische Kultur betrifft, »für die wir als Linke stehen«.

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