Protest bei der Klimakonferenz: »Die Welt muss uns hören«

Am Samstag gingen im brasilianischen Belém Zehntausende auf die Straße

  • Lisa Kuner, Belém
  • Lesedauer: 5 Min.
»Wir sind die Lösung für die Klimakrise« lautete das Motto der Großdemonstration zur COP 30, die von verschiedenen indigenen Gemeinschaften angeführt wurde.
»Wir sind die Lösung für die Klimakrise« lautete das Motto der Großdemonstration zur COP 30, die von verschiedenen indigenen Gemeinschaften angeführt wurde.

»Keine falschen Lösungen für den Planeten« – ist eine der Hauptforderungen während des Marschs für das Klima am Samstagvormittag in der brasilianischen Stadt Belém. Bei tropisch-heißen Temperaturen gingen nach Angaben der Veranstalter mehr als 70 000 Menschen auf die Straße, während gleichzeitig die UN-Klimakonferenz COP 30 stattfindet. Auch die brasilianische Umwelt- und Klimaministerin Marina Silva sowie die Ministerin für Indigene Völker Sônia Guajajara nahmen an dem Protest teil. Nicht nur in Belém, sondern auch an vielen Orten weltweit gab es am Samstag Proteste für mehr Klimagerechtigkeit. Einen Tag zuvor hatte Friday For Future zum globalen Klimastreik aufgerufen.

Angeführt wurde die Demonstration in Belém, die wegen der hohen Temperaturen frühmorgens stattfand, von verschiedenen indigenen Gemeinschaften. Unter dem Motto »Wir sind die Lösung für die Klimakrise« demonstrierten sie für eine Stärkung ihrer Rechte. »Wir sind hier als Stimme des Widerstands«, sagte die Indigene Patricia. »Das ist ein Hilferuf, aber wir hoffen auch, dass sich von hier aus Lösungen entwickeln.«

Verschiedene andere soziale Bewegungen von Gewerkschaften über die Landlosenbewegung hin zu feministischen Gruppen demonstrierten und verknüpften ökologische Belange mit sozialen Fragen. Konkret forderten sie unter anderem ein Ende der Abholzung, keine Privatisierung von Flüssen, eine gerechte Energiewende und Landrechte für Kleinbauern und traditionelle Gemeinschaften. »Dass die Klimakonferenz in Amazonien stattfindet, ist enorm wichtig«, meinte die Demonstrationsteilnehmerin Simone. Der Blick auf den Amazonas-Regenwald könne helfen zu verstehen, was bei der Klimakrise auf dem Spiel steht.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der linksgerichteten Arbeiterpartei PT hatte genau aus diesem Grund darauf bestanden, die Klimakonferenz in der Amazonasstadt Belém auszurichten. Dabei gab es Zweifel daran, ob die Infrastruktur der Stadt für eine Konferenz dieser Größe ausgelegt sei. Während Lula sich mit der Konferenz als Vorreiter in Sachen Klima- und besonders Waldschutz präsentieren möchte, gibt es auch viel Kritik an Brasiliens Umweltpolitik. Seine Regierung setzt weiterhin stark auf fossile Brennstoffe, erst im Oktober wurden Ölbohrungen in der Amazonasmündung genehmigt. Auf diesen Widerspruch machten viele der Demo-Teilnehmenden aufmerksam – beispielsweise in dem sie symbolisch fossile Brennstoffe zu Grabe trugen oder indem sie die Auswirkungen von Öl auf die Tierwelt im Amazonas mit Kostümen symbolisierten.

»Die Klimakonferenz ist eine Farce.«

Lorena Demonstrantin aus dem brasilianischen Bundesstaat Amapá

Lorena, die aus dem Bundesstaat Amapá zur Demonstration gereist ist, sagte: »Die Klimakonferenz ist eine Farce«. Es sei ein Problem, dass die Zivilgesellschaft keinen Zugang zu den Verhandlungen habe. Stattdessen würden dort mächtige Politiker und Unternehmer diskutieren, die kein Interesse an echtem Klimaschutz hätten. Diese Kritik ist nicht unberechtigt: In der vergangenen Woche hatte die Initiative Kick Big Polluters Out berichtet, dass der Anteil von fossilen Lobbyisten bei der diesjährigen Klimakonferenz so groß ist wie bisher noch nie – mehr als 1600 Vertreter der fossilen Lobby sind akkreditiert. Aus Sicht von Lorena sei der Marsch deshalb eine der wenigen Möglichkeiten, Druck auszuüben.

Nachdem Protest bei den vergangenen drei Klimakonferenzen in den autoritär regierten Staaten Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Aserbaidschan kaum möglich war, sind die Demonstrationen und Aktionen des zivilen Widerstands in Brasilien ein Lichtblick: Endlich hat die Zivilgesellschaft wieder mehr Raum sich einzubringen und kann so angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise wichtige Kritik, aber auch Lösungsansätze einbringen.

Demonstrantin Elvira legte mehr als 3000 Kilometer aus dem Bundesstaat Minas Gerais nach Belém zurück, um an der Demonstration, aber auch an dem zivilgesellschaftlichen Gipfel »Cupúla dos Povos« (deutsch: Gipfel der Völker) teilzunehmen. »Es ist mir wichtig, dass wir aus Brasilien unsere Stimme erheben. Die Welt muss uns hören«, sagte sie.

Seit Mittwoch hatten sich Aktivistinnen und Aktivisten von mehr als 1000 Organisationen aus der ganzen Welt auf dem Gelände der Universität in Belém versammelt und über Fragen der Klimagerechtigkeit diskutiert. Weil die Hotels und Übernachtungsmöglichkeiten in der Metropole am Amazonas so knapp sind, wurden einige der Besucher auf Schiffen untergebracht, viele schlafen auch in der Universität. Dieser Gegengipfel zur COP hat auch Forderungen für konsequenteren Klimaschutz aufgestellt und an die Verhandelnden übergeben. Gerade die wichtige Situation von Indigenen wurde dabei hervorgehoben: Weltweit sind indigene und traditionelle Gemeinschaften Vorreiter im Schutz von Wäldern, während sie gleichzeitig besonders stark unter der Klimakrise leiden.

Für die Klimakonferenz sind Tausende Indigene angereist. Obwohl in diesem Jahr eine so große Delegation von ihnen an der Klimakonferenz teilnimmt wie noch nie, haben dennoch viele den Eindruck, dass sie nicht gehört werden. Am Freitag blockierten darum Angehörige der Mundukuru den Zugang zum Gelände der Klimakonferenz und forderten, dass ihre Flüsse nicht privatisiert werden. Früher in der Woche war es zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften gekommen, als einige Indigene versuchten, ohne Akkreditierung auf das Gelände vorzudringen.

Die Klimakonferenz soll noch bis Freitag dauern, oftmals überziehen die Verhandlerinnen und Verhandler allerdings einige Tage. Im Fokus stehen in diesem Jahr unter anderem die Anpassung an die Klimakrise, Möglichkeiten, um die internationale Klimafinanzierung zu erhöhen sowie ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

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