Israelische Regierung: Routiniert im Rechtsbruch

Israel hat fast 400 Mal die Waffenruhe gebrochen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch dazu sollte die am 10. Oktober begonnene Waffenruhe dienen: Die Leichen nicht identifizierter Palästinenser, die aus Israel zurückgebracht wurden, werden in einem Massengrab im Gazastreifen begraben. Doch Israel nutzt die Feuerpause auch zur Zerstörung von Häusern.
Auch dazu sollte die am 10. Oktober begonnene Waffenruhe dienen: Die Leichen nicht identifizierter Palästinenser, die aus Israel zurückgebracht wurden, werden in einem Massengrab im Gazastreifen begraben. Doch Israel nutzt die Feuerpause auch zur Zerstörung von Häusern.

Praktisch jeden Tag bricht die israelische Armee die seit dem 10. Oktober geltende Waffenruhe mit der Hamas im Gazastreifen. 43 Tage sind bisher vergangen, und seitdem hat Israel mindestens 393 Verstöße gegen die Feuerpause begangen. Das berichtet der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera. Allein in der ersten Woche der Waffenruhe zählte das Gaza Medienbüro 47 Verstöße der israelischen Seite, die 38 Palästinensern das Leben gekostet haben.

Und wer den Angaben von arabischer Seite nicht trauen will, kann sich an Zahlen der israelischen Armee halten, die am 7. November von insgesamt mindestens 18 Verstößen der Hamas und anderer verbünderter Gruppen gegen das Waffenruheabkommen berichtet hatte und für den Zeitraum zwischen 7. und 12. November noch mal sechs Verstöße zählten. Macht bis zum 12. November genau 24 Brüche der Waffenruhe durch Hamas und andere palästinensische Milizen – im Vergleich zu den 393 der israelischen Armee. Das heißt, auf einen Verstoß der palästinensischen Seite kommen mehr als ein Dutzend der Israelis.

Und Israel bricht nicht nur die Feuerpause, sondern nutzt diese weiterhin für Zerstörungen. So hat die britische Rundfunkanstalt BBC durch die Analyse von Satellitenbilder herausgefunden, dass seit dem 10. Oktober mehr als 1500 Gebäude in Gebieten des Gazastreifens zerstört wurden, die unter Kontrolle der israelischen Armee geblieben sind. Demnach beweisen Fotos – das neueste soll vom 8. November sein –, dass »ganze Stadtteile (...) in weniger als einem Monat offenbar durch Abrissarbeiten dem Erdboden gleichgemacht wurden«, schreibt die BBC.

Was bedeutet das? Die israelische Regierung hat sich zu der von den USA vermittelten Waffenruhe durchgerungen, fühlt sich aber nicht wirklich daran gebunden. Für sie geht der Krieg weiter, wenn es die Einschätzung der Lage erfordert – Abkommen hin oder her. Selbst die erst vor wenigen Tagen beschlossene UN-Resolution zur Absicherung der Feuerpause und Einleitung eines Friedenprozesses erscheint angesichts der Lage vor Ort nicht mehr als ein Stück Papier.

Israel mit Benjamin Netanjahu als Regierungschef an der Spitze und rechtsextremen Ministern wie Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich im Kabinett ist erst zum Frieden bereit, wenn es alle seine Ziele in der Nahost-Region erreicht hat, die auf militärische Übermacht und Kontrolle der unmittelbaren Nachbarländer sowie die Entvölkerung des Gazastreifens und die Vereinnahmung des Westjordanlands abzielen. Bei ihrem hegemonialen Vorgehen will sich die israelische Regierung von niemandem in die Quere kommen lassen. Waffenstillstandsabkommen schließt man ab und fühlt sich dadurch nur durch einen dünnen Faden gebunden, den man bei Bedarf auch schnell mal zerreißt. Wie viel Vertrauen sollen die Staaten der Region Israel entgegenbringen, einem Nachbarn, der ungeniert Staatsgrenzen ignoriert, auf fremdem Territorium tötet und regelmäßig mit dem Finger auf andere zeigt, die angeblich alle »Terroristen« seien?

Von der deutschen Bundesregierung ist angesichts der zahlreichen israelischen Verstöße gegen die Waffenruhe bisher nicht viel zu hören gewesen. Dagegen verweigert man in einer UN-Abstimmung die Zustimmung zur Mandatsverlängerung für das Palästinenserhilfswerk UNRWA, auf das die palästinensischen Geflüchteten nicht nur in Palästina existenziell angewiesen sind. Mit der Stimmenthaltung wird erneut deutlich, was deutsche Staatsräson bedeutet.

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