Ukraine-Krieg: Frieden? Nein danke

Das Ende des Krieges in der Ukraine ist wohl noch fern. Eine Analyse

Frieden für die Ukraine bleibt weiterhinnicht mehr als ein Wunsch
Frieden für die Ukraine bleibt weiterhinnicht mehr als ein Wunsch

Kommt der Frieden in der Ukraine schon bald? Das ist für viele Menschen momentan Frage, Wunsch und Hoffnung. Letztere könnte vergebens sein. Schon kurz nach Bekanntwerden des neuen US-Plans und der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es auch dieses Mal nichts wird dem Kriegsende. Bis auf die Administration von US-Präsident Donald Trump scheint niemand ein ernst zu nehmendes Interesse am Frieden zu haben.

Russland hielt sich tagelang bedeckt, um dann zu erklären, man werde Details des Plans nicht diskutieren. Deutlich wurde Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: »Ich appelliere daran, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, dass der Krieg in der Ukraine bald zu Ende sein wird.« Damit erstickte Peskow alle Hoffnungen auf eine Zusage zu den geänderten Punkten des Plans.

Russen werden kriegsmüde

In Moskau glaubt man nicht, zum Handeln gezwungen zu sein. Trotz großer Verluste kommt die Armee im Donbass langsam voran. Ukrainische Berichte zeichnen ein verheerendes Bild von der Situation an der Front. Berechnungen zufolge könnte Moskau den Krieg in dieser Form noch bis Ende 2027 allein mit Freiwilligen führen.

»Ich appelliere daran, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, dass der Krieg in der Ukraine bald zu Ende sein wird.«

Dmitri Peskow Kreml-Sprecher

Ob man sich jedoch wirklich darauf einlassen sollte, dürfte im Kreml sicherlich hinterfragt werden. Denn der Krieg ist längst nicht mehr so populär, wie von der Regierung gewünscht. Erstmals ist mehr als jeder zweite Mensch in Russland (56 Prozent) kriegsmüde, wie eine geheime Umfrage des staatlichen Meinungsinstituts WZIOM für die Regierung zeigt, aus der das Onlinemedium Wot tak Ende Oktober zitierte. Im November kamen die unabhängigen Meinungsforscher des Lewada-Zentrums zum gleichen Ergebnis (55 Prozent).

Ukrainer fordern ein Ende des Krieges, der nicht zu gewinnen ist

In der Ukraine ist die Bevölkerung schon lange kriegsmüde und zeigt sich in aktuellen Umfragen offen für Verhandlungen, wenn auch nicht zu jeder Bedingung. Angesichts des massiven Korruptionsskandals in seinem Umfeld kommt das für Präsident Wolodymyr Selenskyj aber nicht infrage. Jede Verzögerung lenkt ab und hilft, Verdächtige aus der Schusslinie zu nehmen, allen voran seinen Büroleiter Andrij Jermak, der mittlerweile auch international massiv in der Kritik steht.

Zugeständnisse an Russland würden Selenskyj aber auch seine politische Karriere kosten. Während der Gespräche in Genf ließ Selenskyj Parlamentssprecher Ruslan Stefantschuk nach langer Pause wieder zu Worte kommen, der Frieden erst wieder in Aussicht stellte, wenn die Krim wieder ukrainisch ist. Das jedoch ist das unwahrscheinlichste aller Szenarien.

Eine solche Bis-zum-letzten-Mann-Haltung kommt bei vielen Ukrainern allerdings nicht mehr gut an. »Ich verstehe das so, dass die Meinungsführer ein Bild gezeichnet haben: Jeder, der bereit ist, einen Teil des zerstörten Donbass im Austausch gegen einen Teil der Regionen Charkiw, Sumy und Dnipropetrowsk sowie die Schifffahrt auf dem Dnjepr und die Hälfte der Stromversorgung aus dem Kernkraftwerk Saporischschja und 100 Milliarden Reparationen abzugeben, ist ein Verräter. Ich irre mich doch nicht, oder?«, fragt etwa der Analytiker Daniil Monin.

Europa hat weiterhin keine Idee für ein Kriegsende

Im Netz werden die Forderungen nach einem Kriegsende immer häufiger. Besonders ärgerlich für Selenskyj: Sie kommen von Menschen, die sich an der Front befinden. Vor wenigen Tagen teilte Gennadij Drusenko, Gründer eines mobilen Krankenhauses, seine Eindrücke von der Front auf Facebook: »Der Monat im Feld hat mich endgültig davon überzeugt, dass es für die Ukraine umso besser ist, je schneller wir schwierige Kompromisse eingehen, um diesen Krieg zu beenden (oder zumindest zu unterbrechen). Denn die kleine (postsowjetische) Armee unter den gelb-blauen Flaggen hat keine Chance, gegen die größere (postsowjetische) Armee unter der russischen Trikolore zu gewinnen.« Ähnlich äußerte sich der Offizier einer Drohneneinheit Jurij Kasjanow: »Wir haben diesen Krieg verloren.« Kasjanow wirft der Regierung vor, sich nicht anzupassen und es verpasst zu haben, eine wirkliche Unterstützerkoalition zu schmieden und sich lieber mit Erklärungen und Symbolpolitik aufzuhalten.

Das zielt auch gegen die europäischen Unterstützerstaaten, die auch nach fast vier Jahren mit diplomatischer Abwesenheit glänzen. Allein in dieser Woche sagte die EU-Außenbeauftrate Kaja Kallas zweimal, ihr Hauptziel sei, Russland zu schwächen, nichts weiter. Außer vielleicht noch die eingefrorenen russischen Staatsmilliarden einzustecken und dies als Ukraine-Hilfe zu tarnen. Die Ukraine bleibt damit für Europa einfach eine Masse, die man in der großen Auseinandersetzung mit Russland abnutzen kann. Dass die Menschen, die dafür sterben, das nicht wollen, interessiert niemanden.

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