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Redebedarf in Köpenick: Frauen des 1. FC Union suchen den Erfolg
Die Berliner Fußballerinnen müssen nach langer Zeit mal wieder mit einem Rückschlag umgehen
Acht Niederlagen in 70 Ligaspielen – das klingt nach einer beeindruckenden Statistik. Diese Zahlen stecken hinter dem Durchmarsch der Fußballerinnen des 1. FC Union von der Regionalliga Nordost bis in die Bundesliga. Das wurde dann auch ordentlich gefeiert im vergangenen Sommer.
Sechs dieser acht Niederlagen kassierten die Berlinerinnen in den ersten zehn Bundesligaspielen. Zuletzt verloren sie dreimal in Folge. Dass sie nach dem langen Aufstieg in die Beletage nicht mehr von Sieg zu Sieg eilen würden, war schon allen so weit klar. Und weil nach dem enttäuschenden 0:3 bei Werder Bremen dann Null-Punkte-Partien gegen die langjährigen Titelsammlerinnen aus Wolfsburg und des FC Bayern München folgten, geriet auch die Köpenicker Fußballwelt nicht aus den Fugen.
Frustrtierte Frauen
Doch nun hat Ailien Poese Redebedarf. Denn Niederlage ist nicht gleich Niederlage. »Wir müssen uns über sehr viel unterhalten«, hatte Unions Trainerin nach dem 0:1 am vergangenen Sonnabend gegen den FC Carl Zeiss Jena ihren Spielerinnen eine arbeitsreiche Woche angekündigt. Die Enttäuschung in der Alten Försterei war umso größer, weil es verpasst wurde, erstmals in der Vereinsgeschichte in das Viertelfinale des DFB-Pokals einzuziehen. Abwehrspielerin Katja Orschmann brauchte dann auch nicht viele Worte, um Erlebtes und Ergebnis zu beschreiben: »Wir sind frustriert.«
In der Bundesliga hatten die Berlinerinnen in Jena noch mit 2:1 gewonnen, das machte das Ausscheiden im Achtelfinale umso ärgerlicher. So beschrieb es auch Poese. Bedenklich ist, dass Jena als immer noch siegloser Tabellenletzter das Pokalspiel keineswegs glücklich gewonnen hat. Auch wenn Carl Zeiss spielerisch unterlegen war, der Siegtreffer am Ende der ersten Halbzeit durch Toma Ihlenburg war nicht unverdient. Die Thüringerinnen hatten sich trotz Dauerdrucks nie aus der Ruhe bringen lassen und mit einfachen Mitteln, aber letztlich konsequenter als Union den Weg zum Tor gesucht – und gefunden.
»Bei uns hat relativ viel nicht funktioniert«, erklärte Unions Trainerin. »Wir waren in allem nicht präzise genug.« Nach diesem harten aber gerechten Urteil über ihre Spielerinnen erklärte Poese dann auch, was jetzt wichtig sei: die Arbeit mit dem Ball. Denn vor allem das Verhalten bei Ballbesitz habe ihr nicht gefallen. Warum das im Training dieser Woche so wichtig ist, verriet die Trainerin auch: »Gegen den HSV werden wir wieder das Team mit dem Ball sein.«
Rückschlag und Richtungweisendes
Am Freitag kommt der Hamburger SV in die Alte Försterei. Das Spiel gegen die Mitaufsteigerinnen ist in vielerlei Hinsicht ein wichtiges, vielleicht sogar richtungsweisendes. In der Tabelle sind beide Nachbarn: Der 1. FC Union liegt einen Platz und vier Zähler vor dem Drittletzten aus Hamburg. Und der kommt mit einem Erfolgserlebnis nach Köpenick: Im Achtelfinale wurden die ambitionierten Leverkusenerinnen aus dem DFB-Pokal geworfen. Der bislang einzige Sieg in der Bundesliga gelang den Hamburgerinnen am vierten Spieltag in Leipzig.
Neben der Arbeit auf dem Trainigsplatz muss Poese in dieser Woche auch in die Köpfe ihrer Spielerinnen. »Ja, das ist ein Rückschlag«, antwortete sie auf nd-Nachfrage zur Niederlage im DFB-Pokal. Und da es angesichts der jüngeren Erfolgsgeschichte von Unions Fußballerinnen zugleich der erste Rückschlag seit langer Zeit ist, »ist auch die Herausforderung größer, damit umzugehen«, bekannte Poese.
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Vielleicht spielt auch das sehr forsche Auftreten des Vereins ein Rolle. Denn die Verantwortlichen machten nach dem Aufstieg in die Bundesliga sofort klar, dass dort der Abstiegskampf keine Option ist. Der 1. FC Union will sich sofort etablieren und schnellstmöglich den Angriff auf die Spitzenteams starten. Zwar ohne zeitlichen Bezug, doch selbst das Wort Champions League ist schon gefallen. Solche Ambitionen machen den Umgang mit Niederlagen zumindest nicht leichter.
Einfacher Gedanke, schwerer Weg
Einen guten Platz im Fußball der Frauen wird der 1. FC Union aber finden. Weil der Verein einiges dafür tut: Mit dem Bau des gemeinsames Trainingszentrums für die Profiteams der Männer und Frauen ist der Verein ein Vorreiter. Auch der allgemeine Zustand in diesem Sport befördert den schnellen Aufstieg der Berliner Fußballerinnen. »Der Frauenfußball wird klein gehalten«, hatte Präsident Dirk Zingler die Konkurrenz jüngst zurechtgewiesen. Auch wieder etwas zu forsch, wenn man bedenkt, dass Unions Fußballerinnen erst seit zwei Jahren professionell spielen. Doch während Verbände und Vereine verzweifelt nach Wegen suchen, um den Fußball der Frauen profitabel zu machen, überzeugt Zingler mit einfachen Gedanken: »Eine Profiabteilung, zwei Mannschaften.«
Wie beschwerlich der Weg im Fußball der Frauen sein kann, das wissen Unions siegreiche Pokal-Gegnerinnen. Seit fünf Jahren spielen Jenas Fußballerinnen unter dem Dach des FC Carl Zeiss Jena. Erfolgreich waren sie schon vorher: Mehr zehn Jahre spielte der FF USV in der Bundesliga. In damaligen Gesprächen wurde mehrfach die Gefahr einer Fusion mit dem FC Carl Zeiss betont. Aus Angst, dass sie sich dort den sportlich unterklassigen Männern – die in den letzten 17 Jahren nie über die 3. Liga hinausgekommen sind, den Großteil der Zeit aber Liga vier verbrachten – unterordnen müssen. Jetzt, ist zu hören, sei man in Jena froh, dass die Frauen Erstligafußball spielen. Wenn es wirklich stimmt, was ebenfalls aus Jena zu hören ist, dass damit zusammenhängende Einnahmen den Männern zugute kommen, dann werden auch im Paradies die Frauen tatsächlich klein gehalten.
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