Australien: Attentat am Strand in Sydney

Mindestens zwölf Tote bei Angriff am Bondi Beach während jüdischer Chanukka-Feier

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 5 Min.
Rettungskräfte transportieren eine Person auf einer Trage nach dem Attentat am Bondi Beach in Sydney.
Rettungskräfte transportieren eine Person auf einer Trage nach dem Attentat am Bondi Beach in Sydney.

Zwölf Menschen, darunter einer der mutmaßlichen Täter, sind bei einem Angriff am Bondi Beach in Sydney ums Leben gekommen. Ein zweiter mutmaßlicher Schütze befindet sich in Polizeigewahrsam – er ist selbst schwer verletzt – sein Zustand ist kritisch. Dutzende Menschen wurden verletzt, darunter zwei Polizeibeamte. Zudem wurde am Tatort ein mutmaßlicher improvisierter Sprengsatz entdeckt. Des Weiteren untersuchte die Polizei, ob ein dritter Attentäter geflohen sein könnte.

Schnell kursierte ein Video, das zeigt, wie ein mutiger Mann einem der Attentäter das Gewehr aus der Hand reißt und ihn so vorerst außer Gefecht setzt. In sozialen Netzwerken verbreiten sich zudem weitere Aufnahmen vom Tatort: Menschen fliehen panisch vom Strand, Verletzte liegen am Boden, Sanitäter knien neben ihnen und leisten Erste Hilfe. Szenen, die man eher aus den USA kennt, wirken hier in Australien umso erschütternder – einem Land mit strengen Waffengesetzen und vergleichsweise wenig Schusswaffengewalt.

Während Veranstaltung der jüdischen Gemeinde

Alles begann an einem Sommerabend, der kaum australischer hätte sein können. Bondi Beach, einer der beliebtesten Strände Sydneys war an diesem Sonntag – bei rund 30 Grad und schon tiefstehender Sonne – eigentlich ein Bild der Idylle. Familien saßen im Sand, Kinder spielten am Wasser, Touristen schlenderten entlang der Promenade, als Schüsse die Strandidylle zerrissen. Zu diesem Zeitpunkt fand am Strand eine Veranstaltung der jüdischen Gemeinde statt, organisiert zur ersten Nacht von Chanukka, dem jüdischen Lichterfest. Hunderte Menschen waren zusammengekommen, viele Familien mit Kindern.

Alex Ryvchin, Ko-Geschäftsführer des Executive Council of Australian Jewry (ECAJ – Exekutivrats des australischen Judentums) sagte im Radiosender 2GB, die Schießerei habe sich während dieser Veranstaltung ereignet. Der Mediendirektor der Organisation sei verletzt worden. »Hunderte von Menschen waren versammelt. Es ist eine Familienveranstaltung«, sagte Ryvchin. »Sie hörten Dutzende knallende Geräusche. Und die Leute fingen einfach an zu rennen, über Absperrungen zu springen, ihre Kinder zu schnappen. Es war Chaos.« Und weiter: »Ich glaube nicht, dass dies ein Angriff war, der zufällig am Bondi Beach stattfand. Ich denke, das war sehr bewusst und sehr gezielt.« Wenige Stunden später stufte die Polizei den Angriff dann auch als Terroranschlag ein.

»Ich glaube nicht, dass dies ein Angriff war, der zufällig am Bondi Beach stattfand. Ich denke, das war sehr bewusst und sehr gezielt.«

Alex Ryvchin Ko-Geschäftsführer des Exekutivrats des australischen Judentums (ECAJ)

Augenzeugenberichte zeichnen ein Bild von Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten. Ein Zeuge sagte dem öffentlich-rechtlichen Sender ABC, die Schüsse hätten etwa zehn Minuten lang angedauert – die »absolute Hölle auf Erden«. Er habe Menschen in Blutlachen liegen sehen. Ein anderer Mann berichtete von zwei schwarz gekleideten Schützen auf einer Fußgängerbrücke, die auf die im Park versammelten Menschen gefeuert hätten.

Auch in den Restaurants mit Blick auf den Strand griff die Panik um sich. Elizabeth Mealey, ehemalige Journalistin und Anwohnerin aus Randwick, hörte dort die Schüsse. »Wir dachten, es sei Feuerwerk, aber das war es nicht. Es war etwas viel Schlimmeres«, sagte sie der ABC. »Die Leute rannten den Strand hoch. Es herrschte Panik.« Premierminister Anthony Albanese sprach noch am Abend von »schockierenden und verstörenden« Szenen. Auch der Premier von New South Wales, Chris Minns, zeigte sich »zutiefst verstört« angesichts der Berichte und Bilder aus Bondi.

Australien wirft Iran Beteiligung an Angriffen auf jüdische Einrichtungen vor

Für viele Australier weckt die Tat schmerzhafte Erinnerungen. Erst im April 2024 war derselbe Stadtteil von einem Amoklauf erschüttert worden. Am 13. April griff der 40-jährige Joel Cauchi im Einkaufszentrum Westfield Bondi Junction wahllos Menschen mit einem Messer an. Sechs Menschen wurden getötet, mindestens zwölf weitere verletzt, darunter ein Baby. Der Täter, der an Schizophrenie litt, wurde von der Polizeibeamtin Amy Scott im Einkaufszentrum gestellt und erschossen.

Die erneute Gewalttat trifft Australien zudem in einer ohnehin angespannten sicherheitspolitischen Lage. Erst im August hatte Albanese in Canberra einen diplomatischen Schritt von historischem Ausmaß verkündet: Australien wies den iranischen Botschafter aus. Zugleich schloss Canberra seine Botschaft in Teheran. Nach Regierungsangaben soll der Iran mindestens zwei Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Australien gesteuert haben: auf die Adass-Israel-Synagoge in Melbourne sowie auf das Restaurant Lewis’ Continental Kitchen in Sydney. Teheran wies die Vorwürfe zurück. Ob die Schüsse von Bondi in direktem Zusammenhang mit diesen Vorwürfen stehen, ist derzeit nicht bekannt. Die Polizei äußerte sich dazu nicht. Doch der Zeitpunkt – am ersten Abend von Chanukka – und der Ort lassen viele Fragen offen.

Bondi Beach steht für australische Leichtigkeit, für Sommer, Freiheit und Unbeschwertheit. Dass ausgerechnet hier, an einem warmen Sonntagabend, Menschen um ihr Leben rennen, erschüttert das Land. Während Ermittler Hintergründe und Motive prüfen, bleibt ein Gefühl, das sich nur schwer vertreiben lässt: dass Australien, bislang weitgehend verschont von solcher Gewalt, zunehmend Teil einer globalen Eskalation geworden ist.

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