Automobilindustrie zwischen Aufrüstung und Erneuerbaren

Herausforderung in Auto­mobil­branche: Gewerk­schaften fordern Fokus auf Thüringer Zivilmarkt

Eine Anlage zur Produktion von Batteriemanagement-Systemen eines Thüringer Automobilzulieferers.
Eine Anlage zur Produktion von Batteriemanagement-Systemen eines Thüringer Automobilzulieferers.

Die Überlegung, dass Thüringer Unternehmen ihr Geld in den nächsten Jahren stärker als Zulieferer für die Rüstungsindustrie und weniger als Zulieferer für die Automobilbranche verdienen sollten, stößt bei den Gewerkschaften auf Skepsis.

Einerseits müssten sich die Unternehmen natürlich auch auf dem Rüstungsmarkt bewegen, wenn Deutschland nun viel Geld in seine Verteidigungsfähigkeit investiere, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen, Michael Rudolph. »Aber das ersetzt keine zivile Strategie.« Alleine mit einer Fokussierung auf den Rüstungsbereich seien weiterhin viele Arbeitsplätze in der Thüringer Industrie gefährdet. »Eine nachhaltige Strategie für Arbeit und Einkommen kann nur eine zivile sein«, sagte Rudolph.

Nach seiner Einschätzung muss es Teil einer solchen Strategie sein, anzuerkennen, dass der Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell ist. »Die Elektromobilität wird die Zukunft im Individualverkehr sein«, sagte er. Das setze ein gesamtgesellschaftliches Umdenken voraus. »Das heißt konsequenter Ausbau von Netzinfrastruktur und erneuerbaren Energiequellen.«

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Wenn es beispielsweise im Thüringer Wald Widerstände gegen die Errichtung von Windrädern auf bewaldeten Flächen gebe, dann entstehe daraus wirtschaftlicher Schaden – gesamtgesellschaftlich ebenso wie für energieintensive Unternehmen in der Region. Diese würden demnach gerne Windräder bauen oder betreiben, um ihren Energiebedarf nachhaltig zu decken.

Die Thüringer Automobilzuliefererindustrie steckt seit mehreren Jahren in einer tiefen Krise. Viele der Unternehmen produzieren Teile für Autos mit Verbrennermotoren. Auch wenn die EU-Kommission das Zulassungsende für Neuwagen mit Emissionsausstoß ab 2035 lockert, werden diese nicht mehr in großer Stückzahl gebraucht. Die Aufträge gehen so sehr zurück, dass ganze Produktionsstandorte geschlossen worden sind.

Zuletzt entließ vergangene Woche der Zulieferer Musashi 200 Mitarbeitende in Leinefelde. Deshalb wird seit einigen Monaten diskutiert, in der heutigen Automobilindustrie in den nächsten Jahren Teile für die Rüstungsindustrie zu produzieren.

Als einer der Ersten hatte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Landesarbeitsagentur, Markus Behrens, sich für diese Überlegung ausgesprochen. Der Wandel in der Automobilbranche hin zum Elektroauto werde sich fortsetzen und sei im Grunde unumkehrbar, hatte er im Sommer gesagt.

Umso wichtiger sei es, dass Unternehmen neue Kunden suchten. Bei vielen von ihnen sei das nötige Wissen vorhanden, um als Zulieferer für die Rüstungsindustrie zu arbeiten. Dass der Bund in den nächsten Jahren viele Milliarden Euro in diese Branche investieren wolle, verspreche eine sichere Auftragslage. »Das ist ein Anker, der dafür sorgen könnte, dass sich der Arbeitsmarkt ab 2026 wieder zu erholen beginnt«, so Behrens.

Auch in der Landesregierung gibt es Sympathien für derlei Überlegungen, selbst wenn das BSW – Teil der Brombeer-Koalition – nicht viel von derartigen Anstrengungen hält. Im September hatten die Landesentwicklungsgesellschaft und die Industrie- und Handelskammern ein »Thüringer Zuliefer- und Informationsforum« zum Thema »Defense«, also Verteidigung, veranstaltet. Dort hatte unter anderem auch Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) gesprochen.

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