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Antifa-Aktivist Gino erneut in Frankreich verhaftet
Die französische Antiterrorpolizei hat den Antifaschisten Rexhino »Gino« Abazaj in der Region Paris festgenommen
Rexhino »Gino« Abazaj wird vorgeworfen, an Angriffen auf Neonazis in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Die Taten stehen im Zusammenhang mit dem sogenannten Tag der Ehre im Februar 2023, bekannt geworden als »Budapest-Komplex«. Gegen gut ein Dutzend weiterer Antifaschist*innen aus Deutschland und Italien wird in diesem Tatkomplex ermittelt.
Gino hatte seinen Lebensmittelpunkt in den vergangenen Jahren zunächst in Italien, später in Finnland, wo er mit einem von Ungarn ausgestellten europäischen Haftbefehl festgenommen wurde. In Ungarn drohen ihm bis zu 24 Jahre Haft, genau wie der deutschen Antifaschistin Maja T. Nachdem er in Helsinki unter Auflagen und mit einer elektronischen Fußfessel freigelassen worden war, floh er wegen der drohenden Auslieferung nach Frankreich.
Dort wurde er von der französischen Antiterrorpolizei verhaftet und befand sich in Auslieferungshaft. Das zuständige Pariser Gericht lehnte eine Auslieferung ab, unter anderem weil in Ungarn kein faires Verfahren zu erwarten sei. Seitdem hielt sich Gino in Frankreich auf.
Am Dienstag nahmen ihn Ermittler*innen der Kriminalpolizei unter Leitung der Unterabteilung für Terrorismusbekämpfung erneut fest und brachten ihn in eine Gewahrsamszelle in den Räumen der Behörde in Levallois-Perret.
Aufruf zum Protest
»Gemeinsam mit meinem Mitverteidiger Laurent Pasquet-Marinacce sind wir sehr überrascht über diese erneute Festnahme durch die Antiterrordienste«, sagte Ginos Anwalt Youri Krassoulia gegenüber »nd«. »Zumal wir, wäre Gino vorgeladen worden, eine freiwillige Übergabe hätten organisieren können.« Laut Krassoulia sollte am Mittwoch darüber entschieden werden, ob Gino bis zur nächsten Anhörung in Untersuchungshaft genommen wird.
Das Pariser Budapest-Solidaritätskomitee rief »alle progressiven Kräfte aus Politik, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft« dazu auf, sich diesen Mittwoch vor dem Berufungsgericht einzufinden. Kurz vor Redaktionsschluss ging jedoch die Information ein, dass die Anhörung auf Donnerstag verschoben wurde, da die Antiterrorpolizei Gino zu spät zum Gericht brachte. Nach Kenntnis von Krassoulia ist für den 24. Dezember eine weitere Sitzung angesetzt, in der das Berufungsgericht über den europäischen Haftbefehl entscheiden soll.
Der Europaabgeordnete Martin Schirdewan (Die Linke), der den Budapest-Komplex seit Langem verfolgt und sich insbesondere für die Freilassung der nach Ungarn ausgelieferten Antifaschistin Maja T. einsetzt, kommentierte gegenüber »nd«: »Anscheinend will Deutschland zum Vorbild in der Kriminalisierung von Antifaschismus werden. Mit dem Haftbefehl gegen Gino A. übernehmen die deutschen Behörden die Drecksarbeit von Viktor Orbán.«
Die deutschen Behörden haben in den vergangenen zwei Jahren die ungarischen Behörden in ihren Bemühungen unterstützt, Antifaschist*innen strafrechtlich zu verfolgen: durch Informationsaustausch, eigene Ermittlungen und Inhaftierung von Beschuldigten. Den Höhepunkt dieser Zusammenarbeit stellte die im Nachhinein vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Auslieferung von Maja T. im Juni 2024 dar.
Im neuen Jahr soll der Prozess gegen Maja T. in Budapest fortgesetzt werden, die Urteilsverkündung ist für den 22. Januar angesetzt. Nun hat die ungarische Polizei eine antifaschistische Kundgebung vor dem zuständigen Gericht verboten. Zudem wurde mehreren Personen die in Ungarn erforderliche Anmeldung zur Prozessbeobachtung ohne Begründung verweigert.
Laut ungarischer Polizei lägen Erkenntnisse vor, wonach Mitglieder einer als terroristisch eingestuften antifaschistischen Vereinigung zum Prozessabschluss nach Ungarn kommen könnten, ein Sicherheitsrisiko für die öffentliche Ordnung. In einer Pressemitteilung des Solidaritätskomitees für Maja sagt Sophie Neumann: »Der ungarische Staat versucht ganz offensichtlich, antifaschistischen Protest gegen das zu erwartende drakonische Urteil zu unterbinden.« Vorwürfe wie Vorgehensweise seien »absurd«. Der Protest sei notwendig, um »auf den politischen Schauprozess gegen Maja sowie die von Faschist*innen ausgehende Gefahr aufmerksam zu machen – auch und gerade in Ungarn.«
Demo-Verbot vor Prozess gegen Maja T.
Laut dem Polizeidokument biete die angemeldete Versammlung »eine Plattform zur Durchsetzung der ›Antifa‹-Ideologie, die sogar aggressiv werden könnte«. Die ungarische Polizei verweist zudem auf einen Internetbeitrag, in dem Busreisen unter dem Namen »Free Maja« angeboten wurden. Eine »Partnerbehörde« habe bestätigt, dass mit dem Erscheinen von Personen gerechnet werde, die einer Organisation angehörten, welche laut einer Regierungsverordnung als terroristische Vereinigung eingestuft worden ist. Auch in diesem Fall beruft sich die ungarische Polizei laut dem Solidaritätskomitee auf Informationen deutscher Behörden.
Auch die USA machen weiter Druck im Kampf gegen Antifaschismus. Das US-Justizministerium hat eine Belohnung von bis zu 10 Millionen Dollar ausgesetzt für Informationen, die zur Unterbrechung der Finanzierung der als ausländische Terrororganisation eingestuften »Antifa Ost« führen.
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