Erneuerbare Energien mit fossilem Partner

Die Energiewirtschaft bietet ambivalente Lösungen zur Energiewende

  • Maria Neuhauss
  • Lesedauer: 5 Min.
Am Umspannwerk Wollmirstedt bei Magdeburg wird ein Konverter errichtet, der Wechsel- in Gleichstrom verwandelt. So wird Windenergie aus dem Norden über die »Stromautobahn« SüdOstLink nach Bayern transportiert.
Am Umspannwerk Wollmirstedt bei Magdeburg wird ein Konverter errichtet, der Wechsel- in Gleichstrom verwandelt. So wird Windenergie aus dem Norden über die »Stromautobahn« SüdOstLink nach Bayern transportiert.

»2025 war ein intensives Jahr für die Energiebranche. Das Jahr 2026, so viel kann man jetzt schon sagen, wird noch intensiver werden«, meint Kerstin Andreae vom Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Am Mittwoch präsentierte der Interessenverband seinen Jahresabschlussbericht zur Energieversorgung 2025.

Dabei setzte das Jahr bisherige Entwicklungslinien fort: Mit der Energiewende im Stromsektor zeigte sich Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW, sichtlich zufrieden. Zwar ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in Deutschland mit 55,1 zu 55,8 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr kaum gewachsen. Dies lag dem BDEW zufolge aber vor allem an einem historisch windarmen ersten Quartal. Kompensiert wurde dies durch die Sonnenenergie, die sich inzwischen zum zweitgrößten Energieträger in der Stromerzeugung aufgeschwungen hat. Nach einem Einbruch beim Zubau von Photovoltaik-Anlagen in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre wachsen die Zahlen beständig.

Ein anderes Bild präsentiert sich mit Blick auf den Energieverbrauch insgesamt, von dem die Stromerzeugung nur ein Teil ist. Hier liefern Wind, Sonne und andere Erneuerbare bislang weiterhin nur etwa 20 Prozent des Verbrauchs. Weitaus wichtiger sind Mineralöl mit knapp 36 Prozent und Erdgas mit fast 27 Prozent – die fossilen Energien sind hier also weiterhin von großer Bedeutung. Das liegt vor allem an den Bereichen Wärme und Verkehr, in denen die Energiewende bislang nur schleppend vorankommt. »Der Weg zur Klimaneutralität ist noch lang«, kommentiert Andreae.

»Der Weg zur Klimaneutralität ist noch lang.«

Kerstin Andreae Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW

Auch wenn in über 67 Prozent der Neubauten inzwischen Wärmepumpen verbaut werden, heizen drei Viertel der Haushalte nach wie vor mit Öl und Gas. Um hier voranzukommen, dringt der BDEW auf tragfeste Entscheidungen der Bundesregierung: »Wir brauchen Konsensentscheidungen, die über Legislaturen hinweg halten. Vor allem benötigen wir einen Konsens im Bereich Wärme«, meint Andreae mit Blick auf die Umstellung des Gebäudeenergiegesetzes auf das Gebäudemodernisierungsgesetz, das 2026 kommen soll. Da innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte Millionen Heizungen erneuerbar werden müssen, bezeichnet sie die Wärmewände als »Königsdisziplin« der Energiewende.

Der Verband betrachtet Erdgas als zentralen Partner der erneuerbaren Energien und dringt deshalb auf einen raschen Bau von zusätzlichen Gaskraftwerken. »Sonst gerät der Kohleausstieg unter Druck«, warnt Andreae. Die geforderten Gaskraftwerke sollen ebenso mit Wasserstoff betrieben werden können, da auf lange Sicht auch Erdgas als fossile Energiequelle ersetzt werden muss.

Nur am Rande wird das Thema Energiespeicher angerissen, als es um die heutige Überarbeitung der Kraftwerks-Netzanschlussverordnung (Kraftnav) im Kabinett geht: Die Bundesregierung plant, große Batteriespeicher ab sofort aus der Verordnung auszunehmen, um Engpässe bei den Netzanschlüssen zu vermeiden. Branchenvertreter wie der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) hatten diese Maßnahme vorab kritisiert. Durch die sofortige und ersatzlose Herausnahme aus der Kraftnav entstünden Unsicherheiten und würden bereits entwickelte Projekte gefährdet, so der BEE in einer Pressemitteilung von Anfang Dezember. Große Energiespeicher können die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien stabilisieren, indem sie überschüssige Energie speichern und bei Bedarf wieder abgeben können. In dieser Funktion machen sie Gaskraftwerken Konkurrenz. Da die Komponenten der Batteriespeicher in den letzten Jahren deutlich günstiger geworden sind, erleben diese aktuell einen Boom, der geplante Gaskraftwerke möglicherweise überflüssig machen könnte.

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In Bereichen, die sich nicht elektrifizieren lassen, liegt die Hoffnung indes auf einem anderen Energieträger: dem Wasserstoff. Dieser soll etwa in der Stahlindustrie, im Flug- oder Schiffsverkehr zur Anwendung kommen. Die – dekarbonisierte – Wasserstoffwirtschaft befindet sich jedoch nach wie vor im Anfangsstadium, zudem ist Wasserstoff bislang sehr teuer. Stärkere Anreize für die Wasserstoffwirtschaft fordert der Interessenverband auch mit Blick auf China. Das Land hat in seinem Fünfjahresplan Wasserstoff-Technologien zu einem neuen Schwerpunkt gemacht. »Es wäre unklug, wenn wir in dem Bereich nur die Rücklichter sehen«, meinte Andreae und spielt damit auf Chinas bereits bestehende Weltmarktführerschaft bei Solarmodulen, E-Autos und Batteriezellen an.

Die Herkunft des Wasserstoffs, bei dem Wasser durch die Zufuhr von Strom gespalten wird, spielt für den BDEW indes eine nachgeordnete Rolle: »Ich würde empfehlen, die Farbenlehre in den Hintergrund zu drängen«, so Verbandsvertreterin Andreae. Je nachdem, welcher Energieträger für den bei der Elektrolyse verwendeten Strom genutzt wurde, spricht man etwa von grünem, blauem oder auch grauem Wasserstoff. »Mengenmäßig werden wir es vor allem mit grauem Wasserstoff zu tun haben«, prognostiziert Andreae. Dieser wird allerdings mit Erdgas, also mit fossiler Energie produziert. Klimaschutz betreibt man letztlich nur mit grünem Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird.

Kritisch sieht der BDEW, wiewohl ebenfalls um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie besorgt, die Finanzierung des ab 2026 geplanten Industriestrompreises aus den Mitteln des Klima- und Transformationsfonds. Unternehmen der energieintensiven Industrie sollen dann nur noch fünf Cent pro Kilowattstunde für den von ihnen verbrauchten Strom zahlen. Dem BDEW zufolge sollte dies aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, denn die aus dem Fonds entnommenen Mittel »fehlen dann für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen«, so der BDEW in einer Pressemitteilung.

Für das kommende Jahr rechnet die Energiewirtschaft mit einem weiteren Anstieg des Stromverbrauchs durch Elektromobilität, Wärmepumpen und Elektrifizierung der Industrie. Soll die Energiewende bei steigender Nachfrage vorangehen, braucht es einen umso stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien.

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