RB Leipzig findet sich wieder gut

Trotz einer Niederlage im Topspiel gegen Leverkusen hat der Brauseklub unter Ole Werner wieder in die Spur gefunden

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 5 Min.
Leverkusens Robert Andrich (r.) sorgte mit einem unabsichtlichen Handspiel in der Nachspielzeit für viel Ärger bei David Raum und seinen Leipzigern.
Leverkusens Robert Andrich (r.) sorgte mit einem unabsichtlichen Handspiel in der Nachspielzeit für viel Ärger bei David Raum und seinen Leipzigern.

Jürgen Klopp wollte als Fußballästhet gerade zum respektvollen Applaus ansetzen, als Leverkusens Youngster Montrell Culbreath in der Nachspielzeit zum 3:1-Endstand für die Gäste im Topspiel zwischen RB Leipzig und Bayer einnetzte. Danach ließ Tribünengast Klopp, seit einem Jahr kreativer Kopf im Red-Bull-Fußballreich, das Klatschen lieber sein, als ihm gewahr wurde, dass rings um ihn herum viel Frust herrschte.

Klopps Nachbar Oliver Mintzlaff, CEO von Investor Red Bull und zugleich Aufsichtsratsvorsitzender bei RB Leipzig, stürmte von den Rängen an den Rasen und stellte Schiedsrichter Benjamin Brand wütend zur Rede. Kapitän David Raum schimpfte vor laufenden Kameras: »Der Schiedsrichter war dem Spiel leider nicht würdig. Das war eine Nummer zu groß für ihn.« Und Leipzigs Spielmacher Christoph Baumgartner bebte innerlich: »Ich finde es unfassbar vom VAR, heute nicht einzugreifen. Andrichs Hand ist zwei Meter über Meereshöhe – das ist schwer zu akzeptieren.« Selbst der sonst so stoisch gelassene Trainer Ole Werner hatte erhöhten Puls.

Hätte Leipzig einen Elfmeter bekommen müssen?

Grund für die Aufregung war, dass Leverkusens Robert Andrich den Ball kurz vor dem 3:1 an der eigenen Strafraumgrenze klar mit dem Unterarm berührte, als er mit Leipzigs Willi Orbán kollidierte, dabei die Orientierung verlor und keine Sicht auf den Ball hatte. Der Videoassistent bestätigte die Entscheidung des Referees, keinen Elfmeter für Leipzig zu geben. Brand mochte sich nach Abpfiff nicht zu der Szene äußern, habe jedoch laut Werner auf dem Platz argumentiert, »dass es kein Handspiel ist, weil Andrich die Kontrolle über seinen Körper verliert – das habe ich noch nie gehört«, ärgerte sich der RB-Trainer.

Die Leverkusener freilich sahen die Szene gänzlich anders: »Was soll ich in der Situation großartig machen? Wenn es dafür Elfmeter gibt, dann gute Besserung«, rechtfertigte sich Andrich. Und Simon Rolfes, Geschäftsführer Sport von Bayer, erklärte: »Er wird ausgehebelt, dann bist du ja nicht in der Kontrolle. Da müssen wir die Arme abschrauben.« Das ist Andrich nun keineswegs zu wünschen.

Vom Himmelfahrtskommando zu den Grundlagen zurück

Ohnehin ist ein Blick auf das Fußballerische dieser Toppartie sowie der RB-Hinserie spannender. Die Gäste aus dem Rheinland zeigten den Sachsen am Samstagabend in diesem letzten Spiel des Jahres deutliche Grenzen auf. Hausaufgaben für die Winterpause sozusagen. Im Ballbesitz ließ die Elf von Trainer Kasper Hjulmand die Kugel schneller und gewandter zirkulieren – Champions-League-Niveau eben. RB hatte phasenweise Probleme, Zugriff zu bekommen und überließ Leverkusen zu viel den Ball. Bei RB waren nicht nur beim 2:1 durch Patrik Schick die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen gegen einen so ballsicheren Gegner zu groß. »Das war nicht ausreichend um das Spiel zu gewinnen«, bekannte Werner.

Generell aber ziehen sie am Cottaweg ein positives Fazit des ersten halben Jahres nach dem großen Umbruch im Sommer. Vor der Saison war die Mission mit RB Leipzig ein Himmelfahrtskommando mit völlig ungewissem Ausgang. Doch nach 29 Punkten aus 15 Ligaspielen, aktuell Platz vier in der Liga und dem Erreichen des DFB-Pokal-Viertelfinales ist klar ersichtlich, dass RB wieder zu seinen Grundlagen zurückgefunden hat: Intensität, hohes Pressing und Gegenpressing und vor allem Teamgeist, ohne den dieser Fußball nicht möglich ist. »Was wirklich gut ist, ist die Art und Weise, wie wir auf dem Platz zueinanderstehen – auch in schwierigen Phasen«, lobte Führungsspieler Baumgartner.

Im Leipziger Team schlummert noch viel Potenzial

Gemeinsam mit Klopp hat Werner wieder den RB-typischen Umschaltfußball freigelegt und im neuen 4-3-3-System mit den zwei überragenden Flügelspielern Yan Diomande und Antonio Nusa weiterentwickelt und modernisiert. Im Vergleich zur Vorsaison schießt das Team pro Spiel im Schnitt viermal mehr aufs Tor und erzielt etwa einen halben Treffer mehr. »Wir sind mit dem Trainer von Beginn an in die richtige Richtung gegangen, haben sehr gute Matchpläne, die Spielanlage ist klar sichtbar«, befand Baumgartner. »Wir sind sehr glücklich mit dem Trainer.«

Dessen Zwischenfazit fiel angenehm selbstkritisch aus. »Ich bin mit dem ersten halben Jahr einverstanden, ohne dass ich mich abends in die Träume verabschiede und da nur rosarote Wolken durch den Kopf fliegen«, sagte der 37-Jährige. »Es gibt immer noch eine ganze Menge Luft nach oben.« Das sei aber eine durchaus »gute Nachricht, weil wir eine Mannschaft haben, in der noch unglaublich viel Potenzial schlummert. Unsere Aufgabe ist es nun, mehr Konstanz reinzubekommen und eine stetige Entwicklung herbeizuführen.«

Fürs neue Jahr hat sich RB eine gute Ausgangssituation geschaffen, um sich wieder für die Champions League zu qualifizieren. Wenn die vielen zuletzt fehlenden Spieler zurückkehren, ist wieder mehr Qualität und Erfahrung in der Startelf als gegen Leverkusen. »Die letzten beiden Niederlagen tun richtig weh, aber wir werden zurückschlagen, da freue ich mich schon drauf«, kündigte Baumgartner an. Dann könnte »Kloppo« auch wieder für das richtige Team klatschen.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -