Die stillen Helfer der NS-Kriegsverbrecher

»Militärhistorischer Sachverständiger« der Bundeswehr verharmlost NS-Verbrechen

  • Stephan Stracke
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Mitte September findet vor dem Landgericht München der wahrscheinlich letzte NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland statt. Dabei kann sich der Angeklagte, der ehemalige Gebirgsjäger Josef Scheungraber, auf die tatkräftige Hilfe nicht nur seiner alten Kameraden, sondern auch eines »militärhistorischen Sachverständigen« der Bundeswehr stützen.

Der 90 Jahre alte Scheungraber ist angeklagt, im Sommer 1944 die Ermordung von 14 Zivilisten im italienischen Falzano angeordnet zu haben. Er kann sich auf die vorbehaltlose Unterstützung seines »Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.« verlassen. Dieser zählt etwa 6000 Mitglieder, darunter 3000 ehemalige Wehrmachtsoldaten und zahlreiche aktive und ehemalige Bundeswehrsoldaten. Auch der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber gehört zu seinen Mitgliedern. In diesem Verein treffen sich bis heute Gebirgsjägerveteranen, die an Massakern in Griechenland und an der Deportation der Athener Juden beteiligt waren. Diese NS-Täter mussten sich bis heute nicht vor einem Gericht verantworten. Scheungraber wäre daher der erste Gebirgsjäger, der wegen NS-Kriegsverbrechen von einem deutschen Gericht verurteilt würde. Eine Verurteilung wollen die Veteranen daher unter allen Umständen verhindern. Für Scheungrabers Verteidigung wurden deshalb drei Rechtsanwälte engagiert, die alle einschlägig in rechtsradikale und rechtsextremistische Strukturen verstrickt sind. Der prominenteste unter ihnen ist der Rechtsanwalt Klaus Goebel, laut »Süddeutscher Zeitung« Mitglied der Nazikriegsverbrecherhilfsorganisation »Stille Hilfe«. Er verteidigte schon den NS-Täter Anton Malloth und den britischen Auschwitz-Leugner David Irving.

Die erste Initiative dieser Rechtsanwälte war die Ladung des Bundeswehroberst a. D. Klaus Hammel als »militärhistorischen Sachverständigen«. Hammel ist auch nach seiner Pensionierung in der Bundeswehr hochgeschätzt. Hammel wirkt bis zum heutigen Tage an der Ausbildung von Soldaten mit und gehörte schon mehrfach dem »Kompetenzteam« einer »Militärhistorischen Geländebesprechung« an, bei der jedes Jahr Bundeswehrsoldaten auf den Spuren des Ersten Weltkrieges durch die Dolomiten wandern.

Hammel hat aber auch in der extremen Rechten einen guten Namen. Er verteidigt die Ehre der deutschen Wehrmachtssoldaten an allen Fronten. Dabei schreckt er auch nicht vor der Verharmlosung des Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht zurück. Hammel ist Mitautor des 1998 erschienenen Sammelbandes »Die Soldaten der Wehrmacht«, einer Kampfschrift gegen die Wehrmachtausstellung. Er versuchte darin nachzuweisen, dass erst die »grausame Kriegsführung« der sowjetischen Partisanen zu Übergriffen der Wehrmacht geführt hätte. Hammel versteigt sich sogar zu der Aussage, dass »Maßnahmen« wie die Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung oder die »Vergeltungsmaßnahmen« bei der Partisanenbekämpfung »weniger durch rassistische oder antisemitische Grundeinstellungen gefördert« wurden, sondern sich »gegen die ›Träger der jüdisch-bolschewistischen Idee‹« richteten. Weiter verteidigt Hammel öffentlich den revisionistischen General a. D. Gerd Schultze-Rhonhof, der die deutsche Kriegsschuld im Zweiten Weltkrieg bestreitet.

Diese Sachverhalte führten nun auch zu einer kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke. Sie will wissen, warum ein Sympathisant des Geschichtsrevisionisten Schultze-Rhonhof und Unterstützer von NS-Kriegsverbrechern immer noch militärgeschichtliche Wanderungen für den Führungsnachwuchs der Bundeswehr in den Dolomiten veranstalten darf. Die Antwort der Bundesregierung darf man leider nicht mit Spannung erwarten. Für das Verteidigungsministerium antwortet in der Regel der zuständige Staatssekretär Christian Schmidt (CSU). Auch er ist Mitglied im »Kameradenkreis der Gebirgstruppe« und war 2007 offizieller Redner bei dem Gebirgsjägertreffen in Mittenwald.

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