Kleine retten Deutschlands Bildungsehre
Nationale IGLU-Studie: Lesekompetenzen der Zehnjährigen überdurchschnittlich gut
Für die Zehnjährigen in Deutschland ist die Welt vergleichsweise noch in Ordnung. In 14 von 16 Bundesländern können sie besser Lesen als Gleichaltrige in anderen EU-Ländern, lediglich in Hamburg und Bremen ist das Niveau unter dem internationalen Durchschnitt. Dort liegt der Anteil der Risikoschüler, die nur einfachste Texte verstehen können, deutlich über 20 Prozent. Bundesweit sind dies nur 13,2 Prozent, in Thüringen – dem nationalen Spitzenreiter – sogar nur 6,8 Prozent.
Der deutsche IGLU-Leiter Wilfried Bos lobte bei der Präsentation des Bundesländervergleichs am Dienstag in Berlin insgesamt die Reformbemühungen an den deutschen Grundschulen, die unter anderem dazu geführt hätten, dass nur 14 Prozent der Viertklässler angaben, »außerhalb der Schule nie oder fast nie« zu lesen. »Die Grundschule in Deutschland hat ihre Hausaufgaben gemacht«, sagte der Wissenschaftler.
Während die Kultusministerkonferenz (KMK) die Ergebnisse als Beleg für erfolgreiche Reformen im Bildungssektor bezeichnete, übten Bildungsorganisationen deutlich Kritik auch an der Auswertung der Daten. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) vermisst in der nationalen IGLU-Studie Hinweise auf den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Die vor einem Jahr veröffentlichte internationale Untersuchung hatte noch auf die hohe Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft hingewiesen. Danach bekommen Kinder aus der Oberschicht selbst bei schwachen Grundschulleistungen wesentlich leichter eine Empfehlung für den Besuch des Gymnasiums als begabte Kinder aus der Unterschicht. Bos sagte, eine Länderuntersuchung dazu sei von den Kultusministern nicht gefordert worden.
Das mit IGLU überprüfte Lese- und Textverständnis gilt als die wichtigste Basiskompetenz für das weitere Lernen. Werden die Viertklässler allerdings mit 15 Jahren bei PISA erneut getestet, kommt der große Einbruch. Die Schulexpertin der GEW, Marianne Demmer, führt dies auf die zu frühe Aufteilung der Schüler auf die verschiedenen Schulformen zurück und forderte gestern »eine große Schulreform«. Projekte wie das Gemeinschaftsschulmodell in Berlin haben es allerdings derzeit schwer, sich durchzusetzen.
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