PLATTENBAU

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 4 Min.

Die dritte Platte des Quartetts aus der Kunsthochschule, in dessen Zentrum der als überaus modebewusst geltende Sänger Alex Kapranos agiert, titelt »Tonight: Franz Ferdinand«. Das »Tonight«, auf dem Cover in weißen Lettern vom Rest des Namens abgesetzt, wirkt wie eine Aufforderung: Geh tanzen, es ist deine Nacht und du bist jung und schön! Bereits vor dem Anhören wird so gar nicht dumm an die Euphorie des Zuhörers appelliert. Zudem darf der Albumtitel als Hinweis gelten für die Lust der Band an der eigenen Sache – Lust an der »neuen« Musik, am Rampenlicht. Der Titel sagt: Hey, wir sind wieder da!

Franz Ferdinand, berühmt geworden mit zackig-nervösem Neo-Postpunk, den sie auf ihren einander sehr ähnlichen Alben »Franz Ferdinand« (2004) und »You Could Have It So Much Better« (2005) zur hysterischen Freude des Publikums zum Besten gegeben hatte, steckten irgendwann knietief in der hausgemachten Langeweile, in der Krise.

Nach der Pause, die alle getrennt voneinander verbrachten, entdeckten sie zufällig ein seit den 50er Jahren leerstehendes Rathaus am Rande ihrer Heimatstadt Glasgow. Und nachdem sie das Equipment verstaut hatten, bemerkten Gitarrist Nicholas McCarthy, Paul Thompson (Schlagzeug), Bassist Robert Hardy und Kapranos mit großer Freude, dass sich nicht nur in, sondern sogar mit diesem Haus Musik machen ließ. Man spielte mit der Akustik der Räume, hing Mikrofone mal hier, mal dort hin. Schade nur, dass man davon auf »Tonight: Franz Ferdinand« nichts hört. Die räumliche Dynamik der Stücke scheint stets dieselbe: glatt wie der Po einer beliebigen Rockpop- oder Mainstream-Discoscheibe. Vom moderat aufgetragenen Schmuddel früherer Aufnahmen ist nichts mehr da.

Und irgendwann stellt man dann auch fest, dass die Platte nicht nur die Nacht im Namen führt – auch in den Texten geht es um nächtliche Aktivitäten. Kapranos singt: »I’m bored, I’m bored/Come on, let’s get high!« High werden, feiern, wenn nicht in der Nacht, wann dann? Dass hunderte von Bands, Disco- und Clubprojekten sich dieses Topos’ mehr als ausgiebig bedient haben, hat Franz Ferdinand nicht weiter gestört. Der Musik selbst eignet eine deutliche Orientierungslosigkeit. Es ist ein Abgreifen verschiedenster Einflüsse, freilich ohne sich vollständig von dem zu verabschieden, womit man berühmt wurde. So ginge es natürlich nicht an, wenn Kapranos den nach Glamour schielenden Schnösel in seiner Stimme ersetzt hätte. Und durch was auch?

Einen ihren Erfolg perpetuierenden Neuanfang wollten Franz Ferdinand machen – und tun deshalb was? Sie drosseln das Tempo, verbreitern die Bässe, beseitigen die scharf geschnittenen Kanten von einst, holen erstmals verzerrte Rockgitarren raus, stellen alles schön laut und dann begeben sie sich auf einen nur in den allerseltensten Momenten songtechnisch und atmosphärisch zwingenden Ritt durch die verschiedensten Genres. Mal zitieren sie Mainstream-Funk, an anderer Stelle Indie-Elektronik à la Hot Chip, irgendwo taucht ein Blues-Thema auf. Die Band präsentiert Disco-Einflüsse der 80er und 90er Jahre, liebäugelt auch mal mit Ska, wechselt öfter die Tempi, um für noch mehr Abwechslung zu sorgen, vergisst dabei aber leider, dass das Kuddelmuddel längst perfekt ist bzw. gerade nicht. Am Ende gibt es Balladen.

»Tonight: Franz Ferdinand« ist eine in ihrer Unausgegorenheit anstrengende Platte, der man in jeder Sekunde die Angestrengtheit ihrer Urheber anzumerken meint. Und weil die neuen Songs so wenig von der coolen Lässigkeit und selbstverständlichen Eleganz haben, die Hits wie »Michael« oder »Darts Of Pleasure« auszeichnete, wirken die lyrischen Anmachmanöver Kapranos’ nicht länger sexy und witzig, sondern seltsam klebrig. Selbst die Ekstase, von der hier überall die Rede ist, kommt einem bald vor wie ein müder Ackergaul, der mit der Peitsche vorangetrieben wird. »Tonight«, denkt man, kann man auch zu Hause bleiben. Und man fragt sich, wie es denn hätte aussehen können, das perfekte, rundum glücklich machende Album Franz Ferdinands im jungen Popjahr 2009 – und muss zugeben, dass man es nicht weiß.

Franz Ferdinand: »Tonight: Franz Ferdinand« (Domino/Indigo)

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