Etwas mehr Durchblick bei Agrarsubventionen

Regierung veröffentlichte Liste mit Empfängern von EU-Beihilfen / Südzucker AG ganz oben

Nach jahrelanger heftiger Kontroverse hat die Bundesregierung am Dienstag eine Liste mit den Empfängern von EU-Agrarsubventionen in Deutschland veröffentlicht.

Ein rot umrandetes Baustellenschild prangte am Dienstag über Stunden auf der Webseite »agrar- fischerei-zahlungen.de« der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Die Seite sei »wegen geplanter Wartungsarbeiten derzeit nicht verfügbar«, hieß es. Die Bundesregierung hatte zuvor angekündigt, dort an diesem Tag die Liste der Empfänger von EU-Agrarsubventionen 2008 zu veröffentlichen. Am Nachmittag war es dann soweit: Die Empfänger können nun mit Name, Ort und Höhe der Zahlungen abgerufen werden.

An der Spitze steht die Südzucker AG mit rund 34,4 Millionen Euro. Weit vorne befinden sich unter anderem auch die Emsland Stärke GmbH, das Handelsunternehmen August Töpfer & Co. und der Milchverarbeiter Campina.

»Dies ist ein sehr wichtiger Schritt für uns«, sagte Reinhild Benning, Agrarexpertin beim Umweltverband BUND und aktiv in der Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen, auf ND-Nachfrage. Das Bündnis von über 30 Umwelt-, Entwicklungs- und Verbraucherorganisationen sowie der Gewerkschaft IG BAU machte sich über Jahre für die Veröffentlichung stark. Und Greenpeace hatte kürzlich auf dem Klageweg die Veröffentlichung der Empfänger von Agarexportsubventionen für das Haushaltsjahr 2004/05 erstritten. An der Spitze stand auch hier die Südzucker AG. Doch erst eine EU-Richtlinie, die die Publizierung bis Ende April dieses Jahres verlangt, machte den Weg für eine alle Bereiche umfassende Auflistung frei. Brüssel drohte bei Verstoß mit einem Verfahren und Bußgeld. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) stoppte zunächst die Veröffentlichung, da Verwaltungsgerichte unterschiedlich über Klagen wegen Verstoßes gegen den Datenschutz geurteilt hatten; darüber soll der Europäische Gerichtshof höchstrichterlich entscheiden. Nun aber lenkte sie ein, und Deutschland veröffentlichte als letztes der 27 EU-Staaten seine Liste. Brüssel leitete am Dienstag dennoch ein Verfahren ein, da Bayern keine Daten bereitstellte, obwohl sich Bund und Länder auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hatten.

Die Gegner aus der Agrar- und Konzernlobby befürchten, die Liste schüre eine Neiddebatte. Der Deutsche Bauernverband kritisierte, die Veröffentlichung von Zahlungen dürfe »nicht nur einseitig für den Bereich der Landwirtschaft erfolgen«. Zudem müsse deutlich werden, dass die Direktzahlungen – der größte Beihilfentopf – ein finanzieller Ausgleich für die »höheren europäischen Standards« im Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz seien.

BUND-Expertin Reinhild Benning hält dagegen, die Liste mache deutlich, dass hohe Summen an Lebensmittelkonzerne, große Schlachthöfe und Molkereien fließen, die wohl kaum umweltfreundlich arbeiteten. Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, kritisierte, die Bundesregierung mache noch immer nicht deutlich, wofür die Betriebe eigentlich das Geld bekommen.

Die Liste bestärkt die Kritik, dass die EU-Agrarsubventionen – 2008 flossen nach Deutschland 5,4 Milliarden Euro – noch immer vor allem Konzernen sowie durchrationalisierten Agrarbetrieben zugute komme, die großflächig mit wenig Arbeitskräften wirtschaften. Die Veröffentlichung kommt für die Lobbyisten zur Unzeit, weil kürzlich eine neue Verhandlungsrunde über die Zukunft der EU-Agrarpolitik auf Ministerebene begonnen hat. Während die bisherigen Hauptempfänger Deutschland, Frankreich und Spanien ihre Pfründe zu verteidigen suchen, fordern die skandinavischen Länder und Großbritannien eine Kürzung der Beihilfen sowie stärkere Marktorientierung, während die osteuropäischen Staaten eine Angleichung ihrer Hilfen fordern. Diese Wartungsarbeiten dürften sich einige Jahre hinziehen.

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