• Sport
  • Leichtathletik-WM - noch 3 Tage

Zoff und lange Schatten in Jamaikas Team

Sprintstar Asafa Powell im Machtkampf mit dem Verband / Verwirrung um fünf Dopingverdächtige

Jamaikas Leichtathleten haben schon seit Tagen in Herzogenaurach ihr WM-Trainingscamp bezogen und werden im Laufe der Woche in die WM-Stadt nach Berlin überwechseln und Quartier im Hotel »Berlin, Berlin« beziehen, wo auch das deutsche Team logiert. Doch die von den Jamaikanern im mittelfränkischen Landkreis erhoffte Ruhe für die letzte WM-Vorbereitungsphase kehrt nicht ein.

Die Unruhe begann schon damit, dass Exweltrekordler Asafa Powell, mit 9,88 s über 100 m der drittschnellste Mann dieses Jahres, den Machtkampf mit dem nationalen Verband probte und ebenso wie die 100-m-Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser und 400-m-Hürden-Olympiasiegerin über 400 m Hürden Melanie Walker bis zum letzten Sonnabend noch immer nicht im Trainingslager eingetroffen war. Das Trio bereitete sich unterdessen in Lignano (Italien) vor, wie Powells Manager Paul Doyle Jamaikas Delegationsleiter Trevor Campbell hat wissen lassen.

Das Fernbleiben vom Trainingscamp, das für alle WM-Kader vorgeschrieben ist, löste heftige Spekulationen aus. Naheliegend ist der Grund der erbitterten Rivalität zwischen den beiden Leichtathletikklubs des Landes. Jamaikas Verbandspräsident Howard Aris goss noch Öl ins Feuer, als er mutmaßte, die drei wollten vielleicht auf einen WM-Start verzichten.

Viel gravierender als dieser Zoff ist der lange Dopingschatten, der mittlerweile über Jamaikas Leichtathletikszene liegt, wobei die Nachrichten der letzten Tage viel Verwirrung stiften. Da war zunächst davon die Rede, dass nach einer achtstündigen Anhörung eines Ausschusses der Nationalen Anti-Doping-Agentur (JADCO) Yohan Blake, mit 9,93 s Weltranglistenfünfter über 100 m, die beiden 400-m-Läufer Lansford Spence und Allodin Fothergill sowie Marvin Anderson ebenso freigesprochen worden seien wie zuvor schon die Staffel-Vizeweltmeisterin Sheri-Ann Brooks. Alle fünf waren bei den Landesmeisterschaften Ende Juni in Kingston auf das Stimulanzmittel Methylxanthin positiv getestet worden.

Bezeichnenderweise lehnte der Vorsitzende des Ausschusses, Kent Gammon, eine Bestätigung dieser Meldung ab. Inzwischen setzte JADCO eine Mitteilung in Umlauf, dass man gegen das Urteil in Berufung gehen wolle. Steckt hinter dem angeblichen Freispruch womöglich eine absichtlich lancierte Falschmeldung, um den ganzen Dopingvorgang auszusitzen bis nach den Welttitelkämpfen?

Bis zur Stunde ist der Weltverband IAAF über einen Freispruch der Dopingverdächtigen nicht informiert. »Wir können das nicht überprüfen, weil die Nationale Anti-Doping-Agentur den jamaikanischen Verband bisher nicht benachrichtigt hat«, erklärte das deutsche IAAF-Council-Mitglied Prof. Helmut Digel. »Erst, wenn wir den Report über diese Fälle bekommen, können wir entscheiden, ob wir vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS nach Lausanne gehen werden.« Nach wie vor ist also der WM-Start des Quintetts ungewiss.

Auch Jamaikas Superstar Usain Bolt, Sprint-Weltrekordler und dreifacher Olympiasieger von 2008, war ins Zwielicht geraten, doch gab es weder bei ihm noch bei Asafa Powell, die unlängst beide zur gleichen Zeit getestet wurden, einen positiven Befund.

Wie stark Jamaikas Leichtathletik nach diesen negativen Schlagzeilen und noch möglichen Folgen in Berlin auftrumpfen werden, ist offen. Bei Olympia 2008 hatte sich Jamaika mit elf Medaillen (6/3/2) auf Rang drei hinter den USA und Russland behauptet. Ein spektakulärer olympischer Aufstieg nach Athen 2004, wo man als Siebenter in der Nationenwertung auf fünf Medaillen (2/1/2) gekommen war.

Jamaikas WM-Bilanz seit 1999

Jahr/Ort/Platz G S B ges.

2007 Osaka (8.) 1 6 3 10
2005 Helsinki (9.) 1 5 2 8
2003 Paris (24.) 0 4 1 5
2001 Edmonton (14.) 1 2 3 6
1999 Sevilla (24.) 0 1 5 6

In Klammern ist die Platzierung in der Medaillenwertung angegeben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal