Fromme Wünsche
Der Wunsch ist bekanntlich bisweilen der Vater des Gedankens. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden – es sei denn, dadurch wird der Blick auf die Notwendigkeiten verstellt. Und so ist es der Fall mit den erleichterten Reaktionen auf das leichte Konjunkturplus.
Es ist sicherlich zu begrüßen, dass die Weltuntergangsphantasien, die im vergangenen Herbst von Wunden leckenden Börsianern ausgingen, kaum noch Anklang finden. Nur: Jetzt schon von Erholung und Aufschwung zu sprechen, wäre nicht minder übertrieben. Das dünne Quartalsplus ist erstmal kaum mehr als eine technische Reaktion auf den vorherigen steilen Fall. Die Wirtschaftsleistung liegt aktuell auf dem Niveau von Anfang 2006. Und auch die aktuelle Pleite von Escada, der Stellenabbau bei Quelle und selbst in der Vorzeigeboombranche, den Solarunternehmen, sprechen eine deutliche Sprache.
Das Schönbeten, das offenbar von einem automatischen Konjunkturverlauf ausgeht, verhindert vor allem, dass politische Schlussfolgerungen gezogen werden. Irgendwie wird sich die Wirtschaft von selbst wieder aufrichten, lautet die Botschaft zwischen den Zeilen. Dies freilich ist genau die neoliberale Haltung, die erst in die schwere Krise geführt hat. Klamme Unternehmen, knausrige Banken, bevorstehende Entlassungen in großem Stil – eine aktiv gegensteuernde Wirtschaftspolitik wird nach wie vor benötigt. Fromme Wünsche jedenfalls helfen nicht weiter.
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