Warum will Europa keine Roma?

Cornelia Ernst zur Situation von Minderheiten in der EU / Cornelia Ernst, Europaabgeordnete der LINKEN, gehört zu den Initiatoren einer Anhörung zur Minderheitenpolitik in Europa

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Warum will Europa keine Roma?

ND: Sie haben in einer Pressemitteilung davon gesprochen, dass etwa 10 000 Roma die Abschiebung aus Deutschland droht.
Ernst: Es sind Roma innerhalb von zwölf Jahren vorwiegend aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen. Nun droht 10 000 Roma die Abschiebung nach Kosovo. Die Abschiebung nach Kosovo ist nicht hinnehmbar, da ihnen dort Armut und Diskriminierung drohen.

In welchen deutschen Bundesländern leben die Menschen im Moment?
Viele Roma leben vor allem in Hessen, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Aufgrund der geplanten Abschiebungen vor allem aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen kam es in einigen Städten sogar zu Aktionen gegen die Abschiebungen.

Wissen Sie, wie diese Menschen leben?
Diese Menschen leben hier in Deutschland meist unter dem Status der Duldung. Das heißt, dass sie über kein Bleiberecht verfügen und immer mit der drohenden Abschiebung rechnen müssen. Viele von ihnen sind gut integriert, sie sprechen die deutsche Sprache, und viele ihrer Kinder wissen mit Kosovo nichts anzufangen.

Warum möchten Deutschland und Europa diese Menschen loswerden und warum lässt sich Kosovo auf diese Rückführung ein?
Es gibt ein Abkommen zwischen dem deutschen Innenministerium und Kosovo, das vorsieht, sobald sich die Lage in Kosovo verbessert hat, auch sogenannte Rückführungen durchzuführen. Eine solche Verbesserung hat es in Kosovo vor allem für Minderheiten nicht gegeben. Hier handelt die Bundesrepublik nach dem Motto: Wir suchen die Greencard-Gastarbeiter aus, die möglichst nichts kosten sollen, und schieben aber von Not betroffene Menschen einfach ab.

Wie läuft eine Rückführung genau ab?
Die Betreffenden werden angeschrieben und erhalten dann eine Fristsetzung, bis wann sie das Land zu verlassen haben. Dafür gibt es sogar Gelder, die bereitgehalten werden. Das läuft meist über Flüge. Unter Umständen auch mit Polizeigewalt. Das ist nichts Neues. Das Besondere ist, dass es sich um eine Minderheit handelt, die besonders von Vorurteilen betroffen ist.

Am 2. Oktober findet eine Anhörung zur Situation der Sinti und Roma in Köln statt, die von der Delegation der LINKEN im Europaparlament initiiert wurde. Was werden Sie dort vorbringen?
Es gibt eine Initiative von acht Ländern Mittel- und Südosteuropas, die sogenannte Roma-Dekade 2005 bis 2015, in der bestimmte Maßnahmen und Schritte geplant sind, die in den Ländern durchgeführt werden müssen, um die Lebenssituation der Roma zu verbessern. Wir möchten aber auch notwendige Schritte auf europäischer Ebene diskutieren, und auch die deutsche Bleiberechtskampagne.

Es gibt ein europaweites »Programm zur Neuansiedlung«. Worum geht es dabei genau?
Das Programm der Neuansiedlung ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, um Flüchtlinge in Europa so ansiedeln zu können, dass alle europäischen Staaten in die Verantwortung genommen werden können. Das heißt, die Flüchtlinge müssen nicht in dem sogenannten ersten sicheren Ankunftsland bleiben – oft ist das ja Italien, Spanien oder Griechenland – sondern können auch in anderen Ländern Asyl beantragen. Wichtig ist, dass die Asylsuchenden eine tatsächliche Unterstützung erhalten.

Fragen: Antje Stiebitz

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal