Neue Wege übers Thüringer Land

CDU und SPD stellten Koalitionsvertrag vor: Wenig Verbindliches und Haushaltsvorbehalt

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Verhandlungsführer von CDU und SPD, Christine Lieberknecht und Christoph Matschie, haben gestern in Erfurt den Koalitionsvertrag für die gemeinsame Regierung vorgelegt, der am Vorabend von den beiden Parteivorständen beschlossen worden war.

Das Papier hat mit 64 Seiten einen beachtlichen Umfang und trägt die Überschrift: »Starkes Thüringen – innovativ, nachhaltig und weltoffen«. In den Verhandlungen sei ein guter Kompromiss gefunden worden, versicherte die designierte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) bei der Vorstellung des Vertrags. Die Unterhändler hätten damit den Wählerwillen umgesetzt und auf »bewährten Fundamenten« neue Schwerpunkte gesetzt. Dabei sei es nicht um einen Schönheitspreis gegangen, sondern um den besten Weg für Thüringen. Auch aus Sicht von SPD-Landeschef Christoph Matschie wird nun der Aufbruch zu neuen Wegen auf wichtigen Politikfeldern eingeleitet. Die SPD finde sich gut im Vertrag wieder, behauptete der SPD-Landeschef. Es seien viele Dinge drin, die der SPD wichtig sind.

Als Beleg nannte er ausgerechnet die Bildungspolitik, die praktisch unverändert bleibt. Die SPD konnte ihr im Wahlkampf vehement gefordertes längeres gemeinsames Lernen nur in Gestalt einer Gemeinschaftsschule unterbringen, die gesetzlich festgeschrieben werden soll. Ob sie als zusätzliches Angebot eingeführt wird oder nicht, entscheiden dann die Schulträger. Wie Matschie vor diesem Hintergrund Thüringen zu einem »Mekka der Bildungspolitik« machen will, bleibt sein Geheimnis.

Weder Lieberknecht noch Matschie mochten auf entsprechende Fragen sagen, welche schmerzlichen Kompromisse sie eingegangen sind oder welche Themen sie als Erfolg in den Verhandlungen für sich verbuchen. Angesichts des über weite Strecken höchst schwammigen Vertragstextes dürfte das auch schwierig sein. Lieberknecht räumte nur ein, dass die Wiedereinführung der Stichwahlen bei Kommunalwahlen, die von der CDU-Alleinregierung im Interesse ihres Machterhalts abgeschafft worden war, »schwer gefallen« sei. Dass der von der CDU installierten und mit einer zweistelligen Millionensumme ausgestatteten Stiftung »Familiensinn« die ihr übertragenen hoheitlichen Aufgaben wieder entzogen werden sollen, ist nicht mehr als überfällig. Sie entschied bisher beispielsweise am Parlament vorbei über die Vergabe von Landesmitteln für familienpolitische Aufgaben.

Bei der Vorstellung des Textes war immer wieder von neuen Wegen die Rede, die das Land gehen werde. Im Vertragstext finden sich dafür allerdings nicht sehr viele Belege. In der Wirtschaftspolitik werden zwar hehre Ziele formuliert, die aber müssen von den Unternehmen realisiert werden. Mit den dafür vorhandenen mageren Fördermitteln dürften da keine großen Sprünge möglich sein. Auch die Absicht, bis 2020 rund 35 Prozent der Stromerzeugung über erneuerbare Energien zu bestreiten, lässt sich nicht im Kabinett realisieren. Dass ein »ökonomisches Leitbild für Thüringen«, eine »Potenzialanalyse« und ein »Zukunftsatlas 2020« erarbeitet werden sollen, wird die Wirtschaftsleistung des Landes nicht wesentlich beeinflussen.

Bis Ende Januar 2010 soll ein Gesetz vorgelegt werden, das die Forderungen des »Volksbegehrens für eine bessere Familienpolitik« umsetzt. Soziale Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung sind weitere Stichworte. Dass die Koalition »aktiv für ein höheres Lohnniveau« eintritt und eine »Initiative für eine höhere Tarifbindung in Thüringen« starten will, ist lobenswert und eine Abkehr von dem bisherigen CDU-Standpunkt, dass niedrige Löhne ein Standortvorteil seien. Wie das allerdings ausgerechnet in einer Wirtschaftskrise bewerkstelligt werden soll, bleibt offen.

Weshalb hierfür wie für viele weitere Passagen des Vertrages gilt, was in den »Budgetgrundsätzen« vermerkt ist. Dort heißt es deutlich, dass die Festlegungen des Vertrages »nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel« in den Haushaltsberatungen umgesetzt werden.

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