Washingtons Strategie für Tbilissi
Wenn ein pensionierter US-General aus der Schule plaudert
Die österreichische Landesverteidigungsakademie bot den passenden Rahmen für die kriegerischen Töne des abgerüsteten Brigadegenerals. Direkt unter dem mächtigsten Wiener Flak-Turm, der 1942 von der Wehrmacht gegen alliierte Luftangriffe gebaut worden war, traf sich die heimische militärische Elite in der Stiftskaserne zum Gedankenaustausch. Ex-General Ronald S. Mangum trat im Salzburger Trachtensakko auf, rote Krawatte, schütteres Haar. Als aktiver US-amerikanischer Offizier war er bis 2003 Leiter eines »Spezialoperationskommandos« in Südkorea. Ausgebildeter Ranger für Spezialeinsätze, Fallschirmjäger und Agent für zivile Angelegenheiten ..., so liest sich die Vita des Militärs, der als Mann des Armeenachrichtendienstes an vielen Orten des Globus im Einsatz gewesen ist. In der Rente berät er seit ein paar Jahren die georgische Regierung. Gemeinsam mit neun weiteren US-Offizieren, so bekennt er freimütig, entwickelt er mit dem Verteidigungsministerium eine nationale Sicherheitsstrategie und war auch während des georgisch-russischen Krieges im August 2008 vor Ort.
Mangums Analyse der historischen Hintergründe des Konflikts am Kaukasus könnte jeder georgischen Armeebroschüre entnommen sein, wobei dem Berichterstatter während des Vortrags immer unklarer wird, ob diese Sicht der Dinge georgischen oder US-amerikanischen Ursprungs ist. Russische Provokationen hätten ein Eingreifen »gegen die Separatisten« erzwungen. Die Zuordnung »Separatist« für abchasische und südossetische Kräfte kommt dem General ganz selbstverständlich über die Lippen. Auf den präsentierten Militärkarten steht oftmals auch »Westgeorgien« an jener Stelle, wo auf zivilen Landkarten »Abchasien« vermerkt ist. So eindeutig die Schuldzuweisung für den Krieg ausfällt, so scheinbar unabhängig davon erzählt General Mangum von einer speziellen US-Truppe, die seit 2001 die georgische Armee im Anti-Terror-Kampf schult.
Nach Einschätzung des US-Generals war die georgische Armee dennoch äußerst schlecht auf den Krieg vorbereitet. »Gute, engagierte und junge Militärführer« wurden durch »schlechte Planung und mangelhafte Vorbereitung« verheizt, was zu 170 Toten – oder fachsprachlich KIA (Killed in Action) – führte. Dem standen angeblich über 1000 russische KIA gegenüber, wobei Mangum die russische Armee als »undiszipliniert, schlecht ausgerüstet und überaltert« charakterisierte.
Der Vortrag des Ex-Generals gipfelt in einer Analyse der strategischen und taktischen georgischen Fehler. Neben der Feststellung eines Kommunikationsdesasters zwischen Einheiten der Armee, des Innenministeriums und einer speziellen privaten Truppe wird der US-Offizier auch sehr präzise, was bei einem etwaigen nächsten Waffengang auf jeden Fall besser gemacht werden müsste. So kann er nicht verstehen, warum Tbilissi keinen Versuch gemacht hat, den Roki-Tunnel, der Südossetien mit dem zu Russland gehörenden Norden verbindet, zu bombardieren. Auch hätten es georgische Einheiten nicht mit einer fehlgeschlagenen Attacke auf die Gufta-Brücke bewenden lassen dürfen, die ebenfalls eine strategische Position innehat.
Die Einnahme der Hauptstadt Zchinwali war demgegenüber militärisch nutzlos, so die Meinung des Experten. Weiter sollen mangelnde nachrichtendienstliche Expertise und Schwächen der georgischen Reservisten zur Niederlage geführt haben. Was an dieser besonders schmerzt, sind für den US-Berater neben dem Kontrollverlust über Abchasien und Südossetien vor allem die in weitere Ferne gerückte NATO-Mitgliedschaft Georgiens. »Eine frühere Mitgliedschaft hätte es für Russland unmöglich gemacht, Georgien anzugreifen«, schließt der US-General seinen Vortrag.
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