Das »System Koch« erhält neue Risse

Finanzminister Weimer, Stütze des Ministerpräsidenten, steht unter Druck

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
In der hessischen »Steuerfahnder-Affäre« erfährt die Öffentlichkeit auch in der Vorweihnachtszeit von Tag zu Tag weitere pikante Details.

Die Frankfurter Rundschau (FR) hat ein neues Leib- und Magenthema. In einer Serie von Enthüllungsartikeln fördert sie beständig neue Fakten über ein gezieltes Kaltstellen engagierter Steuerprüfer durch höchste Stellen in der Finanzverwaltung des Landes Hessen zutage. Dabei gerät auch Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) zunehmend unter Druck.

Der 59-jährige Weimar leitet seit der Regierungsübernahme durch Ministerpräsident Roland Koch (CDU) im Frühjahr 1999 das Wiesbadener Finanzministerium und ist damit eine zentrale Stütze und mittlerweile auch eine Art »Urgestein« im »System Koch«. Im Zusammenhang mit der von oben erzwungenen Frühpensionierung gewissenhafter Steuerprüfer (ND berichtete) versuche Weimer gezielt, »die Aufklärung zu verhindern, weil eine wirkliche Untersuchung der Vorgänge zwangsläufig zu seinem Rücktritt führen würde«, zitiert die FR den ehemaligen Steuerfahnder Rudolf Schmenger: »Weimar ist tief verstrickt in diese Vorgänge und will das Thema aussitzen – doch das wird nicht gelingen«.

Schmenger ist einer von vier Ex-Finanzbeamten und Fahndern, die nach der Jahrtausendwende wegen Steuerhinterziehung gegen Banken wie die Deutsche Bank oder Commerzbank und andere ermittelten und später aufgrund eines ebenso falschen wie gleichlautenden psychiatrischen Gutachtens für unheilbar psychisch krank erklärt und zwangspensioniert wurden. Die Betroffenen würden jetzt den persönlich erlittenen finanziellen Schaden geltend machen und zudem Schadensersatz für die »Stigmatisierung als psychisch unheilbar Kranke« fordern, kündigte Schmenger an.

Schmenger habe bereits 2004 Ministerpräsident Koch auf Missstände in der hessischen Finanzverwaltung hingewiesen und darin detailliert Straftaten aufgelistet, die Führungskräfte der hessischen Finanzverwaltung begangen hätten, so die FR: »Strafvereitelung im Amt, falsche Verdächtigung, Verletzungen des Steuergeheimnisses und des Personaldatenschutzes, Mobbing und Verleumdung«. Koch habe jedoch darauf und auch auf weitere ausführliche Briefe nicht geantwortet. Stattdessen seien die aufmüpfigen Beamten in der Folgezeit für paranoid und dienstunfähig erklärt worden. Eine Petition zu Gunsten der Steuerfahnder habe der Landtag im Januar 2006 mit der damaligen absoluten CDU-Mehrheit abgeschmettert.

Neben Schmenger erhebt auch ein anderer erfahrener Ex-Finanzbeamter in der FR schwere Vorwürfe gegen den Minister. So wurde der langjährige Leiter des Offenbacher Finanzamts, Jürgen Rauh, im Jahre 2000 mit der Privatisierung hessischer Staatsbäder, Kureinrichtungen und Kliniken beauftragt. Obwohl er dabei in mehreren Fällen Kaufinteressenten gefunden habe, die alle Arbeitsplätze erhalten wollten, habe das Ministerium ihn »ausgebremst« und hinter seinem Rücken mit anderen Interessenten verhandelt, die »weniger zahlen und viele Arbeitsplätze abbauen wollten«, zitiert die FR Rauh. Er werde den Verdacht nicht los, dass es dem Ministerium gar nicht um eine gewinnbringende Veräußerung der Einrichtungen gegangen sei und er deshalb zum »Störfaktor« wurde, so Rauh. Weimar habe ihn »menschlich vollständig zerstören« wollen. Aus Protest sei er aus der CDU ausgetreten, weil die Partei »solche unmenschlichen Machenschaften« zulasse. Auch im Zusammenhang mit der Privatisierung der mittelhessischen Burg Staufenberg Anfang des Jahrzehnts habe das Land draufgezahlt und das Anwesen an einen Interessenten verkauft, der »eine ganz besondere Verbindung ins hessische Finanzministerium hatte« und damals mehr als eine Million Mark sparte, so die FR.

Die Landtagsopposition wittert nun die Chance, Weimar zu demontieren. »Wenn die Aussagen von Jürgen Rauh zutreffen, dann hat Weimar Steuergelder veruntreut und muss dafür zur Verantwortung gezogen werden«, so Hermann Schaus (LINKE). Weimars »feudales Personalführungssystem gehöre abgeschafft«, fordert Frank Kaufmann (Grüne).

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