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In die Sackgasse mit Toll Collect

Auch fünf Jahre nach ihrem holprigen Start erfüllt die Lkw-Maut die Erwartungen nicht

Die Lkw-Maut ist geeignet, Klimaschutzziele und fiskalische Interessen des Staates zusammenzubringen. Doch die Politik will dies nicht.

Auf ungewöhnlich scharfe Weise reagierte der FDP-Politiker Patrick Döhring kürzlich auf die Forderung des Umweltbundesamtes (UBA), die Lkw-Maut zu erhöhen. Es müsse Schluss sein mit der »ewigen staatlichen Gängelung im Verkehr«, polterte der Bundestagsabgeordnete. Aufgabe des UBA müsse es sein, die Regierung bei der Umsetzung ihrer Vorhaben zu unterstützen, und nicht, »Politik auf eigene Rechnung zu machen«.

Dabei könnten eine Erhöhung der Lkw-Maut sowie ihre Ausdehnung auf alle Straßen und auf Kleinlaster helfen, die wachsenden Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Im abgelaufenen Jahr dürften die Einnahmen wegen der Wirtschaftskrise lediglich rund 4,2 Milliarden Euro betragen haben – rund 20 Prozent weniger, als ursprünglich veranschlagt. Zum Vergleich: Die vom Lkw-Verkehr verursachten jährlichen Infrastrukturkosten werden auf elf Milliarden Euro geschätzt. Hinzu kommen Umwelt- und Gesundheitsschäden von 16 Milliarden Euro.

Überhaupt hat die entfernungsabhängige Lkw-Maut die in sie gerichteten Erwartungen von Anfang an nicht erfüllt. Drei Ziele wollte die rot-grüne Schröder-Regierung damit erreichen: Kompensation für Straßenschäden, Verkehrslenkung nach Umweltkriterien und Exportförderung. Die geplante Einführung zum 31. August 2003, die die bisherige Vignette ersetzen sollte, musste jedoch wegen technischer Probleme des Betreiberkonsortiums Toll Collect mehrfach verschoben werden. Anfang 2005 ging es dann mit einer eingeschränkten Version los, erst ein Jahr später war das System voll funktionsfähig. Milliardeneinnahmen gingen dem Staat durch die Lappen. Ein Schiedsverfahren über möglichen Schadenersatz kommt nicht recht voran und soll bereits 60 Millionen Euro verschlungen haben. Auch in den ersten Betriebsjahren blieben die Einnahmen hinter den Erwartungen des Bundes zurück. Selbst der Bundesverband Güterverkehr und Logistik, Interessenvertretung der Spediteure, musste helfen, Lücken im Kontrollsystem aufzuzeigen.

Der Betrieb läuft zwar längst reibungslos, doch das System mit satellitengestützter GPS-Ortung, On-Bord-Units bzw. manueller Zahlung über Automaten an Tankstellen oder per Internet lässt sich offenbar nicht auf Bundesstraßen ausweiten. Doch dies wäre nötig, nicht nur aus fiskalischen Gründen: Viele Lkw weichen auf nicht kostenpflichtige Straßen aus, was in der Anfangszeit zu lautstarken Protesten genervter Anwohner führte. Dieses Problem wurde nur notdürftig behoben: Seit 2007 sind auch drei neuralgische Bundesstraßenabschnitte mautpflichtig.

Ein weiteres Ausweichverhalten, das vom hiesigen System begünstigt wird: Seit Lkw über zwölf Tonnen Gesamtgewicht Maut zahlen müssen, hat der Verkauf von Kleinlastern rapide zugenommen. Von diesen sind viermal so viele unterwegs wie Schwerlaster. Laut Bundesregierung wäre eine Ausweitung der Maut wegen zu hohen technischen Aufwandes kaum rentabel. Und so hat sich Deutschland in Brüssel für eine Ausnahmeregelung eingesetzt, denn eigentlich soll es EU-weit ab 2012 eine Maut für Lkw ab 3,5 Tonnen geben.

Kein Wunder, dass andere europäische Staaten ganz andere Wege bei der Umsetzung gehen. Als Vorbildlich gilt Österreich, das wegen des besonders neualgischen Alpen-Transitverkehrs ein lückenloses Mautsystem errichtet hat. Dieses ist technisch einfacher und wird von einem Staatsunternehmen betrieben. Das deutsche System sollte dagegen – ähnlich wie die ebenfalls staatlich aufgepeppelte Transrapid-Technologie – auch ein Exportschlager werden. In den letzten Jahren wurden immer wieder Meldungen lanciert über angebliches Interesse aus verschiedenen Weltregionen, doch bisher wurde es nirgendwohin verkauft.

Das Hauptmanko der hiesigen Lkw-Maut ist aber die geringe Umweltwirkung. Dank der großen Lücken und der relativ geringen Gebühren – sie liegen aktuell bei durchschnittlich 16,3 Cent je Kilometer – gehörte der Straßenverkehr in den letzten Jahren zu den wenigen Sektoren mit weiter stark steigenden CO2-Emissionen. Im Jahr 2008 waren nach Angaben des Verkehrsclubs Deutschland 77 Prozent der transportierten Güter auf der Straße unterwegs. Eine Verlagerung auf die umweltfreundliche Schiene ist ausgeblieben.

Dafür, dass sich auch in Zukunft nichts ändert, will vor allem die FDP sorgen – als Anwalt der Interessen der Wirtschaft. Die Industrie hat mit ihrer Just-in-time-Produktion die Lagerhaltung sozusagen auf die Straße verlagert. Der Transport der Güter auf der Straße soll daher spottbillig bleiben. Auf diese Weise rechnet sich erst die Verlagerung von Produktionsteilen in Niedriglohnregionen.

Die FDP würde da wohl eher der Einführung einer von CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer ins Spiel gebrachten, ökologisch unsinnigen Pkw-Maut zustimmen. Diese würde übrigens nicht von Toll Collect betrieben werden, sondern käme ganz altmodisch mit einer Vignette.

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