Das Atom der Elektroniker

Vor 100 Jahren wurde Transistor-Miterfinder William Shockley geboren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Das wohl wichtigste und vielseitigste Bauelement der Elektronik ist der Transistor. Ganz gleich, ob dieser als Einzelstück in Leistungsverstärkern und Netzteilen zur Anwendung kommt oder milliardenfach in Computern – ohne Transistor würde heutzutage kein elektronisches Gerät funktionieren.

Allgemein gesprochen dient ein Transistor der Schaltung und Verstärkung elektrischer Signale. Als Bauelement trat er daher vor rund 60 Jahren in Konkurrenz zur bis dahin gebräuchlichen Vakuumröhre, die bekanntlich viel Strom verbraucht und eine lange Aufwärmzeit benötigt. Um Letzteres zu vermeiden, ersetzten Forscher der Bell Telephone Laboratories bei einer akademischen Vorführung im Juni 1948 die Röhren eines Radios erstmals durch Transistoren, die man damals noch Germanium-Kristallverstärker nannte. Denn sie bestanden aus einem kleinen Germaniumkristall, einem Streifen Goldfolie und einem dünnen Plastikkeil. Hatte man nach dem Einschalten eines Radiogeräts zuvor warten müssen, bis die Röhren aufgeheizt waren, kam der Ton aus dem neuen »Transistorradio« sofort.

Urheber dieses Projekts war der Physiker William Shockley, der am 13. Februar 1910 in London als Sohn eines amerikanischen Bergbauingenieurs geboren wurde. Nach der Rückkehr seiner Familie in die USA studierte er in Kalifornien Physik und erwarb 1936 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) den Doktortitel. Anschließend arbeitete er bei den Bell Telephone Laboratories in Murray Hill (New Jersey), wo er gemeinsam mit John Bardeen und Walter Brattain 1947 den Transistoreffekt entdeckte. Dafür erhielten die drei 1956 den Physiknobelpreis. Zu jener Zeit war Shockley bereits Direktor des später nach ihm benannten Halbleiterlaboratoriums bei Beckman Instruments in Mountain View (Kalifornien), wo es ihm gelang, den Transistor produktionsreif zu machen.

Bereits 1958 entwickelte der US-Ingenieur Jack Kilby aus Halbleiterelementen den ersten Mikrochip, der nicht größer war als eine Büroklammer, aber gleich mehreren Transistoren Platz bot. In der Folge wuchs die Zahl der Transistoren pro Chipfläche so rasant, dass sie sich praktisch alle 18 Monate verdoppelte. Moderne Computer verfügen über Speicherchips, die auf jedem Quadratzentimeter über eine Milliarde Transistoren beherbergen.

In der Anfangszeit wurden Transistoren vornehmlich aus dem Halbleiter Germanium gefertigt. Heute verwendet man dafür das kostengünstigere Silizium, das sich zudem einfacher gewinnen und handhaben lässt. Überdies stehen für dieses Element zahlreiche Dotierungsmaterialien zur Verfügung, die kleine Verunreinigungen im Siliziumkristall hinterlassen, mit denen man die gewünschten elektrischen Eigenschaften herstellt.

Allerdings ist Silizium nicht für alle Transistoren optimal geeignet. Zum Beispiel besitzen einige Verbindungshalbleiter wie Galliumarsenid (GaAs) bessere Eigenschaften im hochfrequenten Bereich, sind aber leider teuer in der Herstellung. Aus diesem Grund werden sie häufig durch die Halbleiterkombination Silizium-Germanium ersetzt, während man bei hohen Temperaturen Transistoren aus Siliziumkarbid (SiC) verwendet, die an einem Verbrennungsmotor selbst bei 600 Grad Celsius noch arbeiten. Die maximale Betriebstemperatur von Siliziumhalbleitern liegt dagegen bei nur 150 Grad Celsius.

1995 entwickelte ein Forscherteam an den Bell Laboratories einen Transistor auf der Basis von Fullerenen. Das sind fußballartige Kohlenstoffgebilde, die in ihrer regelmäßigsten Form 60 Atome enthalten. Wie sich jedoch herausstellte, ist diese aus reinem Kohlenstoff bestehende Substanz an der Luft nicht stabil, so dass Transistoren auf Fullerenbasis noch Gegenstand der Grundlagenforschung sind.

Seit einigen Jahren sorgt ein weiteres Material für Furore: Graphen. Hierbei handelt es sich um eine perfekt einatomige, zweidimensionale Graphitschicht, deren Kohlenstoffatome wabenförmig angeordnet sind, während ein Siliziumgitter eine kubische Struktur aufweist. »Die Mobilität der Ladungsträger ist daher in Graphen bei Raumtemperatur deutlich höher als in Silizium«, erklärt der Würzburger Physiker Björn Trauzettel, der als Experte auf diesem Gebiet zugleich die Hoffnung hegt, dass sich durch den Einsatz von Graphen die elektronischen Anwendungen im Hoch- und Höchstfrequenzbereich künftig stabiler gestalten lassen. Zuvor jedoch liegt es auch hier an den Wissenschaftlern und Ingenieuren, die immer noch immensen Schwierigkeiten bei der Herstellung des neuen Materials zu überwinden.

Im historischen Rückblick muss Shockley zweifellos zu den einflussreichsten Forschern des 20. Jahrhunderts gezählt werden. Doch damit wäre sein Wirken nur unvollständig beschrieben. Denn auch unter berühmten Wissenschaftlern gebe es lichte und dunkle Gestalten, bemerkte Albert Einstein einmal. Und wie der »Fall Shockley« mit erschreckender Deutlichkeit zeigt, sind beide Gestalten zuweilen in einer Person vereint. Obwohl er keine Ausbildung im Fach Psychologie hatte, wandte sich Shockley ab 1963 der Erforschung des Zusammenhangs von »Rasse« und Intelligenz zu. Danach warnte er, dass die größere Kinderzahl schwarzer US-Bürger eine Bedrohung für die Zukunft der Vereinigten Staaten darstelle, weil schwarze Amerikaner weniger intelligent seien als weiße. Damit nicht genug, erhob Shockley die Forderung, Menschen mit einem niedrigeren IQ als 100 zu sterilisieren, während er die angeblich Intelligenteren ermunterte, sich stärker fortzupflanzen. Wie sich denken lässt, fand er mit diesen Thesen bei rechtsradikalen Amerikanern große Zustimmung. Die meisten Wissenschaftler indes gingen auf Distanz zu dem Physik-Nobelpreisträger und kritisierten dessen rassistische Entgleisungen scharf. Shockley starb am 12. August 1989 in Stanford.

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